Über die Notwendigkeit der Filmmusik (Teil 2/7) | ELMARS HOLLYWOOD

Wie es eigentlich dazu kam, dass Kinofilme auf einmal nicht mehr stumm waren? Die Darsteller nicht mehr nur mit weit aufgerissenen Augen und weit übertriebenen Gesten vor der Kamera herumzappelten? Und das Ganze – darf man sagen: „Erlebnis“? – live (!) von einem mehr oder weniger begabten Pianisten auf einem mehr oder weniger gestimmten Klavier im Kino begleitet wurde? Der Zufall wollte es so! Und dann wollte auch das Publikum es so! Hinter Veränderungen steckt immer das Publikum. Davon kann das Kino in Zeiten von Netflix und Co. doch nun wirklich gerade (wo wir schon bei der Filmmusik sind) ein Lied singen. 1895 hatte man in Hollywood allerdings noch ganz andere Probleme – und Problemlösungen. Und über die spricht Filmjournalist Elmar Biebl im zweiten Teil seines Filmmusik-Specials wieder mit Filmkomponist Patrick Kirst.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Stephan Temp: Portätbild

Als die Bilder laufen lernten. So hieß mal eine Fernsehreihe.

Wie alles anfing? Also … bei mir? Filmmusiktechnisch? Filmmusikalisch? Ich gebe zu: Da muss ich erst mal ein bisschen nachdenken. Im Kopf-Kino-Speicher wühlen. Aber Elmar ist ja auch erst bei Folge zwei. Fünf folgen also noch. Und bis dahin fällt mir bestimmt wieder ein, was die ersten Filmmusiken, die beeindruckendsten Filmmelodien, waren, die sich mir nachhaltig auf die Synapsen gelegt haben. Im Ernst: Sie sind alle noch da und quasi auf ein Fingerschnippen hin auch wieder präsent. Und ich werde sie auch noch alle verraten. Aber heute geht es bei Elmar und Patrick ja zunächst einmal um die Filmmusik, die es im Prinzip noch gar nicht gab. Jedenfalls nicht richtig. Schon mal was von Kopfhörern zum (besseren?) Schlafen gehört? „Noise-masking Sleepbuds“? Quasi Schlafbrillen oder Schlafmasken für die Ohren? So muss man sich nämlich die Filmmusik der ganz frühen Jahre vorstellen. Das hatte nichts mit Emotionen, Moods oder gar Raumklang zu tun. Das sollte schlicht und einfach das nervige Rattern der ersten Filmprojektoren übertönen. Musik hat’s manchmal auch nicht leicht.

Ich gebe zu: Ich bin nicht mehr 20. Auch nicht 27. Aber Stummfilme kenne ich natürlich auch nur noch vom Hörensagen. Und aus einer Fernsehreihe: ALS DIE BILDER LAUFEN LERNTEN. Liebevoll moderiert und präsentiert von Werner Schwier. Begleitet von einem Pianisten im karierten Anzug: Konrad Elfers. Und einem Stehgeiger mit dem ungarischen Namen Géza Janós. Keine Ahnung, ob der wirklich Ungar war. Stehgeiger hatten – damals – Ungaren zu sein. ALS DIE BILDER LAUFEN LERNTEN war die – Achtung: neudeutsch! – Adaption einer US-TV-Reihe namens MAD MOVIES von und mit Bob Monkhouse. Und auch wenn ich weiß, dass Willy Brandt höchstpersönlich 1967 das Farbfernsehen anschaltete: Schwier, Elfers und Janós werden für mich auf ewig schwarz-weiß bleiben. Genau so, wie ich jetzt beim Aufschreiben solcher Erinnerungen irgendwie einen pelzig-staubigen Geschmack im Mund habe.

Schwier war und bleibt das Original. Da mochte sich später Hanns Dieter Hüsch mit VÄTER DER KLAMOTTE auch noch so sehr anstrengen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Auch beim Fernsehen. In 4:3. Ohne HD. Und Soundbar. Wozu denn auch? Waren ja Stummfilme.

Wo wir gerade bei meinen persönlichen Erinnerungen waren (auf die ich natürlich noch sehr gerne zurückkommen werde – wie gesagt: Sie sind ALLE noch da!): Wenn man nichts als Tonfilm kennt, kann Stummfilm natürlich – notfalls auch ohne Werner Schwier, Konrad Elfers und Géza Janós – schon mal eine ganz lustige („coole“ gab’s damals noch nicht) Sache sein. Irgendwann haben ein paar Freunde und ich uns mal den Spaß gemacht und uns einen Stummfilm im Kino angeguckt, der von einem Pianisten am Klavier LIVE begleitet wurde. Irgendwas von Karl Valentin oder den Marx Brothers. Ich weiß es nicht mehr genau. Vielleicht waren wir auch zweimal in dem Kino. Die Freunde wohnen längst alle nicht mehr bei Mama und Papa. Und selbst deren Telefonnummern habe ich nicht mehr. Und im Kino kann ich auch keinen mehr fragen. Das Kino (in Berlin-Schöneberg – da, wo Marlene Dietrich herkam) gibt es nicht mehr. Und, nein: Daran ist dieses Mal nicht Netflix schuld.

Das könnte dir auch gefallen

 

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.