Über die Notwendigkeit der Filmmusik (4/7) | ELMARS HOLLYWOOD

Wo waren Hollywood-Experte Elmar Biebl und Filmkomponist Patrick Kirst in der letzten Folge stehen geblieben? Ach ja, richtig: bei der Feststellung, dass auch Intervalle Gefühle haben. Und heute? Wird Elmar am Schluss feststellen, dass „Filmmusik die schönste Möglichkeit ist, um einen Film mit den Ohren zu sehen.“ Denn nachdem es beim letzten Mal doch ziemlich theoretisch zuging, lässt Patrick heute viele lebendige Beispiele folgen, die bei Elmar ganz offensichtlich gleich den Kopfkino-Projektor in Gang setzen …

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Stephan Temp: PortätbildMeine früheste Erinnerung an Filmmusik? Sicherlich Disney. Aber ist das nicht mehr oder weniger bei jedem so?

Ich hatte ja versprochen, hier ein bisschen über meine eigene Filmmusik-Agenda zu plaudern. Damit es hier keine Missverständnisse gibt, bevor wir zur nächsten Frage kommen: Als Reed Hastings – Gründer, Visionär, Chairman und CEO von Netflix – geboren wurde, konnte ICH schon laufen. Aber ich kenne ja auch noch den Unterschied zwischen Video 2000, Betamax und VHS. Letzteres ist übrigens die Abkürzung für „Video Home System“. Na, wer hat oder hätte das jetzt gewusst? Ich gebe zu: ich, auf Anhieb, auch nicht. Hätte nicht gedacht, dass die Erklärung sooooo simpel ist. Aber zurück zur Filmmusik. Und meinen frühesten Erinnerungen an Filmmusik. Was hat mich da ganz offensichtlich so tief beeindruckt oder berührt, dass es mir heute mehr oder weniger spontan gleich wieder in den Kopf kommt?

Disney war ganz sicher ganz vorne mit dabei. By the way: War oder ist das nicht bei den meisten so? Filme für Kinder, Filme für die GANZE Familie – das war früher (wenn vielleicht auch kein Monopol) DIE Domäne von Disney. Und Disney-Filme waren seit jeher immer sehr musikdominiert. Ohne Musik ging es nie. Aus gutem Grund. Keiner verstand, die Klaviatur der Gefühle so rauf und runter zu spielen wie die (damals noch) Zeichentrickkünstler aus Burbank in Kalifornien. Auf hell folgt dunkel, auf Regen gleich danach wieder Sonnenschein. Also: gefühlsmäßig. Disney-Filme sind, was das Handling der beim Zuschauer geweckten Emotionen angeht, wie eine Achterbahn konstruiert. Und alle gleich. Nach dem Schema D. Weil es funktioniert. Immer und immer wieder. Und die Musik liefert dazu so etwas wie den Gleitfilm, auf dem man als Betrachter mitsamt seinen Empfindungen von der ersten Minute bis zum Abspann ins Rutschen kommt – immer rauf und runter, rauf und runter. Dieser Gleitfilm funktioniert wie … geschmiert. Gott, wie viele Ohrwürmer hat Disney auf diese Weise schon in Umlauf gebracht?
Meine erste Disney-Erfahrung war übrigens BAMBI. Ich erinnere mich gut (wenn auch aus einem ganz bestimmten Grund dunkel) daran, dass bei mir damals der Musik-Gleitfilm, die Achterbahn der Gefühle, irgendwie nicht so richtig funktionierte. Ich rutschte zwar ins Dunkel, aber dann leider nicht wieder ins Helle. Meinen Eltern blieb nichts anderes übrig, als mit einem herzzerreißend schluchzenden, kleinen Jungen das Kino frühzeitig zu verlassen. Von wegen Kinderfilm. Wenn man BAMBI googelt, steht da, dass der Film aus dem Jahr 1942 stamme, aber erst 1950 seine Deutschlandpremiere gefeiert habe. Und dann 1964 im Kino wiederaufgeführt wurde. Das war dann wohl meine Runde; mein tiefes, tiefes Tal der ersten Kino-Erfahrungen. Kurz danach machte es Disney dann wieder gut. Mit MARY POPPINS. Da flutschte der musikalische Gleitfilm. Ich glaube, ich kann noch heute jeden Titel pfeifen. Chim chiminey, chim chiminey, chim chim che-ree …

Und danach? Ja, dann kam irgendwann auch die Zeit, in der ich – wie alle – auch alleine in Kino gehen durfte. Beziehungsweise mit Freunden. Und damit war dann auch die Zeit des Heulens, Schniefens, Schluchzens beendet. Also zumindest in der Öffentlichkeit. Die meisten tiefgründigen filmmusikalischen Erinnerungen jener Zeit stammen dann auch eher aus dem Fernsehen. Den meisten Eindruck hinterließen meistens Erkennungsmelodien von TV-Serien: INVASION VON DER VEGA. BONANZA. DAKTARI. FLIPPER. FBI. IMMER, WENN ER PILLEN NAHM. MAXWELL SMART. MAGNUM. DER ROSAROTE PANTHER. KOJAK. DIE STRASSEN VON SAN FRANCISCO. SHAFT. Womit wir bei Letzterem dann auch schon bei einer Farbe sind, die mich beim Thema Filmmusik noch heute am meisten anmacht. Etwa Miles Davis’ Score zu FAHRSTUHL ZUM SCHAFOTT. Oder der Score zu BULLITT von Lalo Schifrin. Die Musiken zur OCEAN’S-Trilogie. JACKIE BROWN.

Und sonst? Natürlich die BOND-Songs. Kult. Oder CLOCKWORK ORANGE. Der gute alte Ludwig van Beethoven – in einem Zusammenhang, den er sich NIE hätte träumen lassen. SATURDAY NIGHT FEVER. Die Auferstehung der Bee Gees. In Personalunion mit dem Weltruhmflug von John Travolta. DER WEISSE HAI. SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD. STAR WARS. 2001 – ODYSSEE IM WELTRAUM. Die Klassiker halt. Von denen es in der heutigen Folge einiges zu hören gibt. Vor allem darüber, wie sie „funktionieren“.

In der nächsten Woche geht es dann um die, die uns die Klassiker von morgen liefern sollen. Um die, die an der Music School der University of Southern California in Patrick Kirsts Masterclass Scoring büffeln, um die nächste Generation der Filmkomponisten zu bilden. Aber davon – wie gesagt – mehr in der kommenden Folge. Und bis dahin bleibt noch jede Menge Zeit, um sich mal wieder in seine alte Sammlung von Filmmusik-Platten und Soundtracks zu vertiefen. Ist eigentlich mal wieder eine gute Idee. Finde ich.

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