Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia (1974): Kritik | KINO TO GO

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„Du musst mal die Bettwäsche wechseln. Ich hab’ Matrosen am Mast.”
In der 13. Minute kriegt eine Frau ohne Vorwarnung einen Ellbogen ins Gesicht gedonnert – und knallt auf den Boden. Wer sich bis zu diesem Moment noch unsicher war, in was für eine Art Film er sich befindet: Es ist einer von Sam Peckinpah. Ein dreckiger, zynischer, skrupelloser und roher Film. Über 16 Menschen müssen sterben, weil El Jefe den Kopf von Alfredo Garcia haben will. Also wirklich: seinen Schädel. Der arme Irre hat nämlich El Jefes Tochter ein Kind in den Leib gepflanzt. Was folgt, ist klassischer Tragödien-Stoff.

Der Reiche und Mächtige setzt aus einer Laune heraus eine Rache in Gang, die zum schmutzigen Geschäft und letztendlich auf den Schultern eines kleinen Mannes abgeladen wird. Dieser Niemand, dieser Loser, dieser ausrangierte Kämpfer, ist einer der Gründe, die diesen Film so interessant machen. Zum einen, weil Warren Oates ihn einfach herrlich spielt. Egal, ob er nun alle Hindernisse aus dem Weg räumt, unglückliches Interesse für die Hintergründe seines Auftrags zeigt, unerwartet gefühlvoll ist oder seine Sackhaare von Bettwanzen befreit. Zum anderen, weil er einfach ein Sinnbild für Regisseur Peckinpah ist.
Der war frustriert, am Ende seiner Karriere, hart gezeichnet vom Alkohol. Immer wieder hatte er gegen „die da oben“, gegen die Bosse, angekämpft. Immer wieder mussten er und seine Vision sich geschlagen geben. All das und noch so viel mehr verkörpert Oates mit seiner Figur Bennie. All das und noch viel mehr verkörpert auch BRING MIR DEN KOPF VON ALFREDO GARCIA. Peckinpah bezeichnete ihn als persönlichsten Film. Und das ist der berühmte Fluch und Segen zugleich. Denn weil er die komplette Kontrolle, also zum wohl ersten Mal in seiner Karriere auch den Final Cut, hatte, ist ein Film entstanden, der damals schon schwer einzuordnen war – und der es heute noch viel schwerer hat.

Alles in allem wirkt der Film echt rumpelig. Selbst mit der dicksten und verständnisvollsten Nostalgiebrille. Der Schnitt erscheint gerne mal wahllos, das Bild ingesamt eher dreckig oder schmucklos, und nach positiven (oder pro-feministischen) Figuren muss man mit der Lupe suchen. Parallel dazu streift Peckinpah durch die Genres wie Bennie durch Mexiko. Was als Rache-und Action-Thriller beginnt – der deutlich weniger Peckinpahs berühmter Zeitlupen-Ballereien aufweist –, ist genauso Charakterstudie, Liebesdrama, Helden- und Heimat-Abgesang oder melancholisches Road Movie.
Das macht den Film formell so schwierig. Und gleichzeitig ist alles von einer tiefen Resignation durchtränkt, was sich nicht nur in dem kompromisslosen Finale manifestiert. Das war damals zu viel für die Kritik und das Publikum. Heute erscheint es nur noch visionär, wenn das letzte Bild kein Individuum zeigt, sondern eben das Werkzeug, mit dem es sich gegenseitig auslöscht. Als kleine, persönliche Notiz am Rand muss ich aber noch Kris Kristoffersons Meinung teilen: Seine Szene, in der er eigentlich Isela Vega vergewaltigen will, ist zu lang und zu nett zu seiner Figur. Und das wirkt sich zu negativ oder unglücklich auf Vegas Figur aus.
Aber um den Kopf jetzt endlich mal vom Rumpf zu trennen: Ich war und bin trotz allem fasziniert. Nicht so sehr vom Film an sich, aber umso mehr von seiner Existenz. Und obwohl er THE WILD BUNCH nicht von meinem persönlichen Thron stürzen wird, hat er es doch auf Anhieb in die persönliche Peckinpah-Top 3 geschafft. Weil er sich so aufrichtig anfühlt. Und in seiner kruden, bizarren Art genau richtig. Wenn WILD AT HEART der Inbegriff einer grellen Schlangenlederjacke ist, ist BRING MIR DEN KOPF VON ALFREDO GARCIA das verdreckte Unterhemd, in das mindestens zwei Flaschen Tequila geschwitzt wurden.

Diese und noch ganz viele, ganz viele andere ausführliche Filmbesprechungen von Daniel Schröckert findet ihr übrigens nicht nur regelmäßig hier, sondern jederzeit auch unter letterboxd.com/leschroeck/.

Filmdaten: BRING MIR DEN KOPF VON ALFREDO GARCIA (1974)

BRING MIR DEN KOPF VON ALFREDO GARCIA (1974)
Originaltitel: Bring Me The Head of Alfredo Garcia
Genre: Krimi, Thriller, Action
Darsteller: Warren Oates, Isela Vega, Kris Kristofferson, Emilio Fernandez, Robert Webber
Regie: Sam Peckinpah
Kinostart: 15.08.1974
Blu-ray-/DVD-Veröffentlichung: 12.7.2018
Mediabook-Veröffentlichung: 5.5.2016

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Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia (1974)

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