Berlinale 2017 | Von schwulen Kreuzfahrten bis zu inspirierenden Fragen zur Kreativität – Tag 4

Berlinale Talents

Filmeschauen macht Laune, vor allem wenn so viele andere Kinoverrückte um einen herum sind. Da vergisst man schnell, dass die BERLINALE nicht nur der perfekte Ort für Filme, sondern auch für Diskussionen mit den Filmemachern ist. Deshalb fuhren wir am Sonntag neben unseren Kinobesuchen ins Berliner Theater Hebbel am Ufer,wo sich bei der Veranstaltungsreihe BERLINALE TALENTS noch bis Donnerstag junge Filmemacher mit den Stars der Branche – am Sonntag kamen auch Jurypräsident Paul Verhoeven, der Künstler Christo und Maggie Gyllenhall vorbei – über das Filmemachen im Generellen unterhalten, aber natürlich vor allem eins tun: Networking betreiben.

Was uns dort im Panel WALKING HOME IDEAS: INSPIRATIONAL FLOWS die A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT-Regisseurin Ana Lily Amirpour über Inspiration und Ideenfindung auf den Weg mit gab, erfahrt ihr im in unserem BERLINALE-Tagebuch:

“Ja, ich war gerade im Berlinale Palast und es war ja wieder so toll mit den Schauspielern und Regisseuren zu diskutieren…Ich bereite mich immer ganz genau vor, lese jedes Jahr das komplette BERLINALE Journal und ach, wissen sie: diese BERLINALE-Tasche hat mir meine Nichte vor 10 Jahren geschenkt..Besuchen sie die BERLINALE. Besuchen sie sie wirklich…”. Nein, diese Worte stammen nicht etwa aus einem Werbefilm, sondern kommen direkt aus dem Mund einer etwa 70-jährigen Frau, die gerade neben uns in der U-Bahn junge Leute überzeugen will, sich endlich auch auf die BERLINALE einzulassen. Und ja, sie hat völlig Recht! Die BERLINALE begeistert. Die BERLINALE elektrisiert, umso länger das Filmfestival dauert. Plötzlich interessieren sich sogar Oma und Opa für Filme über Fetische. Zwei Damen streiten sich an der Kasse mit Kinomitarbeiter, dass sie doch auch bitte in Zukunft alle Filme im Original zeigen. Und selbst der im normalen Leben Kino-Desinteressierte schaut plötzlich Filme aus Taiwan oder von den Philipinnen. Ob aus freiem Willen oder aus der Not heraus nur noch für diesen EINEN Film ein Ticket ergattert zu haben, ist hier egal. Der olympische Gedanke zählt: Dabei sein ist alles!

WALKING HOME IDEAS: INSPIRATIONAL FLOWS  / SEKTION BERLINALE TALENTS

Für viele, die bei der Veranstaltungsreihe BERLINALE TALENTS im Berliner Theater Hebbel am Ufer als junge Filmemacher aus aller Welt zu Gast sind, geht es aber nicht nur vorneweg um diesen olympischen Gedanken. Für sie zählt der “success” ihre Idee in ein reales Projekt umzusetzen, doch was heisst überhaupt Exzess und wie entwickeln Profis die Ideen und Konzepte für ihre jeweiligen neuen Projekte? Ana Lily Amirpour, Regisseurin des gefeierten Horror-Vampir-Films A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT, spricht im Panel WALKING HOME IDEAS: INSPIRATIONAL FLOWS vom Gefühl des Sich-Einfach-Treiben-Lassens.

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Um kreativ zu sein, helfe eine solche geplante Veranstaltung, auf der bestimmte Rollen-KonstellationEN aufgebaut werden – in dem Fall zwischen Publikum und den Gästen – nicht wirklich. Es gehe darum sich fallen zu lassen und Ideen aus dem Teich der Kreativität herauszufischen, wie es auch David Lynch mal treffend sagte: “Ideas are like fish. If you want to catch little fish, you can stay in the shallow water. But if you want to catch the big fish, you’ve got to go deeper. Down deep, the fish are more powerful and more pure.They’re huge and abstract. And they’re very beautiful.” Oder wie Amirpour Kreativität auf Twitter nannte:


Amirpour ginge da ganz nach Bruce Lee, der in vielen seiner Interviews immer wieder den Slogan für sich beanspruchte: “Express yourself”.  Mehr über dessen Philosophie erfahrt ihr hier:

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Zwar wären die Dreharbeiten für sie ohne Planung nicht möglich, doch Ideen könnte man nicht planen und es ginge sowieso immer auch einen Prozess des Umschreibens. Ob eine Idee funktioniere, entscheide sich erst später im Prozess des weiteren Schaffens. Sie wisse nie, wo sie ankommt, wenn sie eine neue Idee für ein Projekt für sich beanspruche. Sie hinterfrage in diesem Verbund auch den Begriff des “success”, den man nicht planen könne. Wichtig wäre es immer unabhängig zu bleiben, sie sich die ersten Filme deshalb immer selbst finanziert hätte und auch wenn sie eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne startete, man sich dennoch nie ganz selbst ganz und gar auf Kickstarter verlassen sollte. Wir können gespannt sein, was uns Amirpour in ihrem nächsten Film THE BAD BATCH zeigt, dessen Trailer sie uns natürlich nicht vorenthalten wollte, aber mit GAME OF THRONES-Star Jason Momoa und Keanu Revves zumindest schon einmalprächtig besetzt ist. Und der im Gespräch natürlich genauso zur Sprache kam, wie die Frage, wie sie aus ihreren frühen Kurzfilmen ihren eigenen Stil zwischen Popkultur-Symbolik und Horrorelementen fand.

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Und der im Gespräch natürlich genauso zur Sprache kam, wie die Frage, wie sie aus ihren früheren Kurzfilmen ihren eigenen Stil zwischen Popkultur-Symbolik und Horrorelementen fand.Doch hier tiefergehend zu werden, würde diesen Artikel womöglich sprengen. Nur so viel: Welche Regisseurin unterbricht ein Panel einfach mal so, um dem Publikum ihren neuen Lieblings-House-Song vorzuspielen? Fällt für uns auf jeden Fall schon einmal in die Rubrik: “Best Berlinale Moments 2017”. Fehlt eigentlich nur noch, was wir am Sonntag für Filme sahen. Bitteschön:

DREAM BOAT / SEKTION PANORAMA

Dream Boat / Copyright: Gebrüder Beetz Filmproduktion

So hochauflösende, glänzende Bilder haben wir bei dieser Berlinale 2017 wohl noch nicht gesehen. Eingefangen in brillanten Bildern begleitet Regisseur Tristan Ferdinand Milewski in DREAM BOAT exklusiv eine schwule Reisegemeinschaft auf einem riesigen Kreuzfahrtschiff. Klingt ganz gewöhnlich, ist es auf diesem Schiff jedoch keineswegs. Von bunten Kostümpartys bis wilden Fetischabenden – hier wird das schwule Leben zelebriert und vor allem eins gesucht: Sex in der Gemeinschaft. So sehr allerdings die brillante Optik fasziniert, so verliert sich der Regisseur leider in seiner narrativen Erzählung. Einerseits will er das homosexuelle Lebensgefühl einfangen, andererseits springt er thematisch immer wieder zwischen einzelnen Thematiken, die  in ihrer inhaltlichen Oberflächlichkeit  und ihrer homosexuellen Klischeehastigkeit ihren Reiz verlieren. So bleibt DREAM BOAT ein Film, der nur von seinen Bildern funktioniert. Wenn der Regisseur mit seiner Kamera auf ein mit Kondomen übersätes Schiffsdeck schwenkt, ist eigentlich alles gesagt. Erklärungen oder Einblendungen braucht es nicht, wären inhaltlich aber als Zusatz noch wünschenswert gewesen.

Weitere Vorstellungen:
17.02. 12h30 CinemaxX 7
18.02. 20h00 CineStar 7

DIE TOCHTER / SEKTION PERSPEKTIVE DEUTSCHES KINO

Die Tochter / Copyright: Fabian Gamper

Unser zweiter Film handelt vor allem von der großen Sehnsucht nach Liebe und Eifersucht. Ein Coming Of Age-Drama, in der ein junges Mädchen es versteht ihre getrennten Eltern gegenseitig so auszunutzen, dass es ihr möglichst viele Vorteile bringt. Und in der sowohl die Mutter – auf das innige Vater-Verhältnis ihrer Tochter -, als auch die Tochter auf ihrer Mutter eifersüchtig ist, die nach einer gemeinsamen Reise sich wieder emotional an ihren Vater gebunden hat. Für eine Tochter, die – wie es im Film zum Ausdruck kommt – von der Liebe ihres Vaters bessesen ist und darauf besteht, dass dieser in ihrem Bett schläft, kommt das natürlich einem Fiasko gleich. Was den Film faszinierend macht, ist der düstere Soundtrack, der die Tochter zu einer Art Teufelsfigur erhebt. So eine nervtötende Tochter wie dieser möchte wohl keiner bei sich zu Hause haben. “Wo ist Papa?” ist pasenderweise ihr Lieblingssatz. Freie Minuten für ihrer Eltern allein – für die Tochter ein No-Go. Was ärgerlich ist, ist die durchschnittliche Schauspielleistung der Akteure, denen man ihr Handeln als Rollenfigur nicht immer ganz abnimmt. Dennoch gilt für uns immer noch:  “Prädikat sehenswert”.

Weitere Vorstellungen:
13.02. 12h30 Colosseum 1
13.02. 20h30 CinemaxX 1

 

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