Berlinale 2017 | Von Josef Hader bis zu einer alarmierenden Anti-Atombomben-Collage – Tag 3

Die Wilde Maus / Copyright: WEGA Film

Man muss nicht jeden Freitag bis in die Morgenstunden tanzen – vor allem, wenn die BERLINALE ansteht. Auch wir liessen am Freitag mal unsere Tanzbeine zu Hause, um am Samstag einen Marathon anzustreben. 5 Filme oder 8 Stunden Filmeschauen nonstop.

Was man von dem kecken TIGER GIRL lernen kann, wie Armie Hammer sich als Model macht, warum Josef Haders Ausflug in den Schnee (siehe Bild) eine saukomische Angelegenheit ist, es mehr Kunstfilme wie THE BOMB geben sollten und warum Bildersprache manchmal alles ist, erfahrt ihr hier im 3. Teil unseres BERLINALE-Berichts:

Ein bisschen können einem ja auch die Mitarbeiter der BERLINALE leidtun. Jeden Tag stehen sie wie die Presse und das Publikum zu unmöglichen Uhrzeiten auf der Matte und bleiben doch immer irgendwie ein wenig außen vor. Kontrollieren Karten, organisieren Interviews und Begegnungen und wenn dann eine Mitarbeterin in einen BERLINALE-Film wie WILDE MAUS will, heisst es von ihrem eigenen Kollegen nur: “Sorry, hier lassen wir nur Presse rein.” Die tauscht sich indessen vor allem über ein Thema aus: Wie schaffen wir es möglichst viele Filme in möglichst kurzer Zeit zu schaffen? Abzüglich des Anstehens vor dem Kino und der Reise zu den einzelnen Veranstaltungsorten? Aber ach nein, da geht es ja noch zu diesem Panel. Oder zu diesem Interview. Zeitmanagement –  da ist es wieder, diese magische Zauberwort. Unumgänglich für den gängen BERLINALE-Journalisten, andererseits ein Unwort, für jeden, der etwas mit Kreativität zu tun hat. Aber um es mal ganz keck zu sagen: wer mehr als 5 Filme pro Tag schafft, wie wir an diesem Samstag, dem spendieren wir ne Kiste FRED-Bier!

TIGER GIRL / SEKTION PANORAMA

Tiger Girl / Copyright: Constantin Film Medien Gmbh / Fogma

TIGER GIRL ist einer der Filme, der stark anfängt und dann schnell abstürzt. Wacklige Kamera, schnelle Schnitte, laute Musik und zwei Protagonistinnen, die nichts von den Regeln der Gesellschaft halten. Ein bisschen Chaos stiften da, ein bisschen prügeln dort, einfach ein bisschen wild sein, das ist das Credo des neuen Films von Jakob Lass, bekannt auch für den Erfolgsfilm LOVE STEAKS. Frei nach dem Motto: “Du musst einfach sagen, was du willst, dann kriegst du es auch.” Anfangs wirkt das noch wie frisches, freches neues deutsches Kino, doch braucht sich mit der Zeit schnell auf. Hatte man die Protagonisten anfangs noch als Sympathieträger empfunden, ist man am Ende etwas gelangweilt von ihren immer gleichen Spielchen und ihrer Einstellung:Wir können alles tun. Egal, ob es euch gefällt oder nicht. Egal, ob es lustiger oder dummer Blödsinn ist. Wir rebellieren gegen die Gesellschaft. Komme, was wolle…

Weitere Vorstellungen:
12.02. 22h30 Colosseum 1
14.02. 18h30 Wolf – Saal 1 – Berlinale goes Kiez
19.02. 17h00 Cubix 9

THE FINAL PORTRAIT  / SEKTION WETTBEWERB

The Final Portrait / Copyright: Parisa Taghizadeh

Ganz anders kommt da THE FINAL PORTRAIT daher. In ruhigen und zurückhaltenden Bildern beobachtet er seinen Protagonisten Alberto Giaocometti, wie er in seinem Atelier im Paris von 1964 arbeitet, trinkt, zweifelt, zerstörtet, flirtet und lacht, aber vor allem eins tut: Bestimmen, was und wann in seinem Atelier getan wird. Ohne Widerrede! Wie dabei Geoffrey Rush seinen Künstler fluchen und an sich zweifeln lässt, ist große Schauspielkunst. Wie aber auch Armie Hammer, der bei dieser BERLINALE  auch im Coming Of Age Film CALL ME BY YOUR NAME zu sehen ist (Kritik folgt nächste Woche) ein Rollenmodel spielt, der einerseits fasziniert, andererseits genervt ist von den ständigen Kapriolen und Launen des Malers, aber dann doch auch immer wieder ein Stück Verständnis in seinem zarten, feinen Gesicht aufblitzen lässt, ist ebenfallsnicht zu verachten. So ist THE FINAL PORTRAITzwar kein Meisterwerk, aber doch ein schönes, kleines, unaufgeregtes Künstlerporträt. Besser als der Eröffnungsfilm DJANGO allemal.

Weitere Vorstellungen:
12.02. 09h30 Zoo Palast 1
12.02. 12h30 Friedrichstadt-Palast
12.02. 18h00 Friedrichstadt-Palast

WILDE MAUS  / SEKTION WETTBEWERB

Wilde Maus / Copyright: WEGA Film

Unser absolutes Unterhaltungs-Highlight ist am Samstag aber auf jeden Fall WILDE MAUS. Mit göttlichem, österreichischem Wiener Dialekt geht der Kabarretist Josef Hader hier in seinem ersten Film WILDE MAUS als ehemaliger knallharter Musikjournalist auf Rachefeldzug gegen seinen ehemaligen Zeitungschef, der ihn gerade entlassen hat und nun mit ansehen muss, wie seine jüngeren Nachfolger aus Mozarts Zauberflöte eine Oper machen (ist ein Singspiel…) und von seiner Frau zu hören bekommen muss, dass er plötzlich ja plötzlich so “nett” schreibt (seiner Frau hat er von seiner Entlassung natürlich nichts verraten…). Oder wie ein Österreicher sagen würde: “Das geht sich ja gar nicht aus…” Festgehalten in grotesken Bildern, absurden Begegnungen und mit absolut herrlich trockenem Witz.

Weitere Vorstellungen:
12.02. 15h00 Friedrichstadt-Palast
12.02. 18h30 Toni & Torino / Berlinale goes Kiez
12.02. 19h00 Haus der Berliner Festspiele
13.02. 09h30 Haus der Berliner Festspiele

THE BOMB  / SEKTION BERLINALE SPECIAL

The Bomb / Copyright: The Bomb

Von komödiantischer Unterhaltung zum Experimentalfilm in seiner reinsten Form. THE BOMB ist nur 60 Minuten lang, besteht nur aus Archivaufnahmen, komt ohne Off-Sprecher aus – und ist doch als mit Musik von The Acid untermalter Musik eine faszinierende Collage und ein Abgesang auf alle jene, die auch heute noch auf die Atombombe schwören. So stillvoll und elegant wie in diesem Film sind wohl selten Atombomben explodiert, haben sich Atombombe pilzartig über die Welt gelegt und Alt-Apokalyptiker nochmal auf dem Plan gerufen, um vor der Faszination der Bombe zu warnen, die in den hier zu sehenden, historischen Beiträgen von den propagandistischen Machtinstitutionen oftmals verharmlost wurde. Wir sind uns nach diesem sehr weirden, aber lehrreichen Film noch einiger: Abrüsten, jetzt!

Keine weitere Vorstellungen:

DISCREET  / SEKTION PANORAMA

Discreet / Copyright: Drew Xanthopoulous

Ein wenig ratlos ließ uns am Ende eines langen BERLINALE-Tags dagegen DISCREET zurück. Deshalb wollen wir hier nur die Bildersprache loben und ansonsten auf den offiziellen  BERLINALE-Text verweisen: “In Fett brutzelnde Speckstreifen, eine junge Frau, die sich bei den Abonnenten ihres YouTube-Kanals bedankt, eine in schwarzen Mülltüten sauber verschnürte Leiche, die den Fluss hinuntertreibt – so klar die ersten Bilder in Travis Mathews’ Mystery-Thriller auch sein mögen, schälen sich die Zusammenhänge doch erst langsam und wie aus dem Unbewussten heraus.” Gibt es da mehr zu sagen?

Weitere Vorstellungen:
12.02. 17h45 CineStar 3
13.02. 20h15 Cubix 7 & 8
14.02. 22h30 Colosseum 1
15.02. 20h00 International

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