Der Pate, Epilog: Der Tod von Michael Corleone Review | KINO TO GO

Ein Triumph war schon immer aussichtslos. Dafür war der Druck zu groß. Dafür war das Erbe noch größer. Dafür hatte Francis Ford Coppola zu lange geschworen, niemals einen dritten Teil von DER PATE zu inszenieren. Wie sollte er auch die beiden Meisterwerke übertreffen, die er einst mit Brando, De Niro, Pacino und Puzo geschaffen hatte? Doch dann war es da, das Sequel, das niemals sein sollte. Ende 1990. Nach 16 Jahren. Nachdem Coppola und Mario Puzo nur sechs Wochen Zeit für ein Drehbuch gehabt hatten. Mit der Last, einer der meist erwarteten Filme aller Zeiten zu sein. Das konnte nur ein Angebot werden, das man halt dann mal doch ablehnen kann.

Gut, Coppola konnte es nicht. Er hatte zu viele Filme gedreht, die nichts waren oder einspielten, zu viele falsche Entscheidungen getroffen, zu viel in Weinberge investiert und sein eigenes Studio zu sehr an die Belastungsgrenze gebracht. Also ließ er sich zu einer weiteren Fortsetzung überreden – mit dem Geld von Paramount, der Unterstützung durch Puzo, Pacino in der Hauptrolle und Gordon Willis abermals hinter der Kamera. Letzterem gelingen wieder tolle Bilder, die das Goldbraune der Vorgänger aufgreifen, viel Marmor präsentieren oder von prächtigem Rot geprägt werden. Die im wahrsten Sinne des Wortes, im Sinne Coppolas und in den besten Momenten des Films große Oper sind.

Doch hier beginnen schon die Probleme, denn so wirklich erreicht Willis nie die Klasse der beiden Vorgänger: DER PATE III sieht optisch zu sehr nach einem Thriller der Neunziger aus und zu wenig wie ein Film, der 1979 beginnt. Seine Bilder fühlen sich nie so schwer, so alt, so klassisch oder rustikal-erlesen an wie in DER PATE und DER PATE II. Das mag auch eine Konsequenz davon sein, dass DER PATE III so gehetzt produziert und überstürzt ins Kino gebracht werden musste. Eine andere ist die Unterentwicklung einiger Handlungsstränge. Zum Beispiel der Tod von Johannes Paul I., dem sogenannten 33-Tage-Papst. Ursprünglich wollten Coppola und Puzo die Geschichte von Tom Hagen, dem Berater der Familie, weitererzählen. Doch weil Robert Duvall zu viel Geld wollte, mussten sie umdenken.

Also machten sie die Verschwörungstheorien um Pauls kurze Amtszeit zum Teil von Michaels Leben. Raffiniert unauffällig und pathetisch zugleich wollten sie sein – und das geht nicht gut auf. Dafür fehlt – vor allem denjenigen, die noch nie von der Geschichte gehört haben – zu viel Kontext. Und ohne diesen Kontext wirkt es zu beiläufig und lahm, um eine echte Wucht zu entwickeln. Nicht ganz so dünn, aber irgendwie dennoch unbefriedigend empfand ich dann auch alles rund um Andy Garcia. Er soll der Sohn von Michaels Bruder Sonny sein. Und weil der immer wütend war, ist auch Garcia immer wütend. Er trägt nur definitiv zu dick auf. Und inzwischen wirkt Vincent (sein Rollenname) für mich mit seiner glatten Lederjacke eher wie einer aus der Soprano- und weniger wie einer aus der Corleone-Familie.

Doch dann ist er plötzlich der Pate. Leute kommen zum Handkuss oder stehen tiefgründig im Hintergrund rum. Michael geht lieber mit seiner Ex-Frau spazieren und irgendwie wirkt das alles ein wenig zu schnell. Denn es gibt ja noch so viele andere Figuren wie Connie, Don Altobello, Joey Zaza oder die grauen Eminenzen vom Vatikan, die alle ihr eigenes Cosa-Nostra-Süppchen kochen oder irgendetwas in den großen Familientopf schmeißen. Und schließlich ist da noch diese On-Off-Romanze zwischen Garcia und seiner Cousine. Arme Sofia Coppola. Was wurde sie für ihre Performance gedisst. Oder für die Szene in der Küche mit dem Gemüsemesser.

Und ja: Sie wirkt, als habe sie keine Ahnung, was sie da mache. Oder was um sie herum passiere. Aber damit entspricht sie nicht nur glaubhaft einer Teenagerin. Sie passt auch perfekt in diesen Film. Denn genau wie Mary, die so viel von dem macht, was Papa oder Pate Michael möchte, wird Sofia vermutlich auch nur das gemacht haben, was Papa Francis wollte. Und das scheint er selbst nie ganz gewusst zu haben. Aber auch das kann ich nur vermuten. Was ich dagegen nicht vermuten muss, ist Coppolas Unzufriedenheit mit dem vorläufigen Ergebnis. Obwohl DER PATE III einigen Zuspruch und sieben Oscar-Nominierungen erhielt, gab es deutlich mehr Kritik als zuvor – und eine Goldene Himbeere für Tochter Sofia als schlechteste Neben- und Nachwuchsdarstellerin.

Infolgedessen ging Coppola noch mal an den Schneidetisch und fertigte seinen sogenannten Final Director’s Cut an, der ungefähr zehn Minuten länger war und insgesamt schon etwas runder wirkte. Vor allem, weil die Beziehung von Michael zu seiner Ex-Frau und zu seinen Kindern Anthony und Mary mehr Raum erhält. Auf VHS, DVD oder Blu-ray erschien ausschließlich diese Fassung, die 2008 restauriert wurde. Durch diese Restaurierung wurde das Bild noch mal schärfer und kontrastreicher – und verlor endgültig seine goldene Farbgebung. Doch sie brachte Coppola offensichtlich immer noch keinen Frieden. Denn nun, zum 30. Jubiläum, hat er eine weitere Version angefertigt. Mit einem Titel, der den Epilog-Charakter des Films noch mal hervorhebt und wie ein Spoiler klingt, aber dann gar keiner ist.

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Für DER PATE, EPILOG: DER TOD VON MICHAEL CORLEONE (Originaltitel: MARIO PUZO’S THE GODFATHER, CODA: THE DEATH OF MICHAEL CORLEONE) arbeitete man sich durch die Archive von American Zoetrope, Coppolas Studio, das er so legendär gebeutelt hat. Um für gut 50 Takes besseres Ausgangsmaterial zu finden, wurden rund 300 Kisten mit Negativen von DER PATE III durchsucht. Infolgedessen sind nun der Anfang und das Ende der Fortsetzung anders, die Laufzeit ist rund zehn Minuten kürzer, die Musik wurde teilweise neu arrangiert, und einige Szenen wurden umgebaut oder an andere Stellen gesetzt. Damit wird DER PATE III nicht zu einem neuen Film, aber es fällt nun leichter, ihn nicht zu sehr auf eine Stufe mit den beiden Vorgängern stellen zu wollen. DER PATE, EPILOG: DER TOD VON MICHAEL CORLEONE wirkt flotter, flüssiger, kompakter und eben deutlich mehr wie ein Epilog, der nicht mit den anderen beiden Filmen konkurrieren, sondern sie nur begleiten will.

Das macht sich am stärksten am Anfang bemerkbar. Es gibt keine große Reminiszenz mehr an den zweiten Teil, keine pompöse Kirchenzeremonie und somit auch keinen Familienfeier-Einstieg, der zum typischen, fast bemitleidenswerten Serienmerkmal verkommt. Stattdessen sehen wir direkt, wie Don Corleone mit dem Vatikan verhandelt – also, dass er seriös werden und loslassen will. Die Geschäfte, der Reichtum, die Macht – das alles scheint nicht mehr so wichtig, was ein Brief an die als wertvoll erklärten Kinder im Anschluss dann auch bestätigt. Letzterer fällt in Sachen Off-Text nun auch etwas kürzer aus. Doch diese Straffungen tun gut. Sie grenzen DER PATE, EPILOG: DER TOD VON MICHAEL CORLEONE stärker von den Vorgängern ab und leiten die Motive und Entwicklungen wirkungsvoller ein.

Darüber hinaus zerfällt DER PATE III jetzt weniger stark in zwei Hälften, wie es noch zuvor der Fall war. Der Director’s Cut ließ sich immer leicht in Amerika und Italien aufteilen, was DER PATE, EPILOG: DER TOD VON MICHAEL CORLEONE nun etwas aufweicht. Deutlich härter ist dagegen das Attentat auf Don Lucchesi, bei dem sichtbar mehr Blut spritzen darf. Womit wir beim Titel-Spoiler und dem neuen Ende wären: Es blickt nicht mehr auf die anderen Teile zurück, sondern zeigt nur noch Michaels Tanz mit Mary und wie er alt, müde und verlebt in Sizilien sitzt – aber eben nicht seinen Tod. Pacino blickt noch einmal in die Kamera, dann wird das Bild schwarz. Keine Erlösung, nur ein neues sizilianisches Zitat: „Wenn die Sizilianer einem ‚Cent’anni‘ wünschen, bedeutet das ‚auf ein langes Leben‘. Und ein Sizilianer vergisst nie.“

Was bleibt, ist ein nach wie vor guter Film. Nur eben immer noch kein großartiger. Egal, ob er jetzt näher an dem ist, was er schon immer sein sollte. Trotzdem und trotz aller übrigen Macken hat mich auch die „Coda“-Fassung wieder in ihren Bann gezogen. Wenn die Geschäfte erst mal laufen, die Intrigen geschmiedet und Strippen gezogen werden und „unsere Sache“ ihre Opfer fordert, bleibe ich einfach kleben. Es ist, wie Pacino sagt: „Just when I thought I was out, they pull me back in.“ Noch so eine Szene, die ich nach den SOPRANOS nie wieder so sehe, lese, empfinde wie zuvor. Aber eben auch eine dieser Szenen, die völlig unabhängig von den Jersey Boys belegt, dass hier alles einfach eine Spur zu gewollt war.

Auch von Pacino. Er wollte zu sehr noch einmal Michael sein. Der, der 1974 am Lake Tahoe in seinem Garten saß, nachdem er seine Frau mitsamt Kindern ziehen und seinen Bruder töten gelassen hatte. Dafür strengt er sich so stark an, dass manche Szenen schon unfreiwillig komisch oder befremdlich theatralisch wirken. Zum Beispiel seine Beichte bei Kardinal Lamberto, die mich nach wie vor mit der Stirn runzeln lässt. Man merkt ihm einfach – ungeachtet der zu Berge stehenden Haare – an, dass ihm solche Filme wie REVOLUTION, SEA OF LOVE oder DICK TRACY in den Knochen stecken. Und dass er nach Filmen wie HUNDSTAGE, CRUISING oder SCARFACE nicht mehr Michael ist, sondern eben Al Pacino – und der will nach all diesen Filmen endlich seinen Oscar.

Es gab aber keinen. Nicht für den Film, nicht für Coppola, nicht für Garcia, schon wieder nicht für Gordon Willis und natürlich nicht für Pacino. Der war nicht mal für den Paten nominiert, sondern nur für seine Nebenrolle in DICK TRACY (eine Schmach, die DER DUFT DER FRAUEN zwei Jahre später ausgleichen sollte). Stattdessen wollte die Academy lieber mit echten Wölfen tanzen. Oder über soziopathische GOODFELLAS lachen. Der einzige Mobster, der 1991 einen Oscar bekam, war Joe Pesci. Ein irrer Straßenköter, der nach ganz oben wollte. Kein bußfertiger Boss, der alles hinter sich lassen will. Aber auch der stärkste Mann braucht eben Freunde. Von denen hatten Coppola und Pacino damals einfach nicht genug. Sie haben trotzdem für ein langes Leben gereicht. Und vielleicht kommen durch diese zurechtrückende Neufassung ja noch ein paar neue dazu.

In diesem Sinne erneut: Cent’anni!

Daniel Schröckert

Filminfo

DER PATE, EPILOG: DER TOD VON MICHAEL CORLEONE
Originaltitel: Mario Puzo’s The Godfather, CODA: The Death Of Michael Corleone
Genre: Krimi, Drama
Darsteller: Al Pacino, Diane Keaton, Talia Shire, Andy Garcia, Eli Wallach, Sofia Coppola, John Cazale
Regie: Francis Ford Coppola
(Kinostart: 21.2.1991 – DER PATE 3)
DVD-/Blu-ray-Release: 10.12.2020
Streaming: Kein Flatrate-Anbieter

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