Antje Wessels’ Kinojahr 2019 | Alles zu den nicht mehr so FRISCHEN FILMEN

Was hat uns das letzte Kinojahr beschert? Also UNS, bei FredCarpet, zuallererst einmal Antje Wessels. Seit Januar letzten Jahres ist Antje an Bord, liefert Woche für Woche ihre Sicht auf das Neueste im Kino, auf das, was wir FRISCHE FILME nennen. Und Antje sei Dank haben wir nun endlich einmal einen fundierten, wenn auch sicherlich (ja! bitte! gerne!) zu mancher Diskussion anregenden Kino-Jahresrückblick voller Antjes persönlicher Highlights und Downlights …

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Stephan Temp: Portätbild

Gäbe es einen Abspann für die 2010er-Jahre – was müsste rein?

Die letzte Klappe für 2019 ist also geschlagen. Aber eigentlich war es ja sogar die letzte Klappe für ein ganzes Kinojahrzehnt. Da muss man schon aufpassen. Also dass man im Nachhinein nichts durcheinanderbringt. Oder vergisst. Die Zeit rast nämlich. Eben noch wurden uns 3D-Kino (ja, das ging erst mit AVATAR – AUFBRUCH NACH PANDORA rechtzeitig zum Jahreswechsel 2009/2010 so richtig los) und IMAX als die ultimativen Kinoerlebnisse verkauft. Heute guckt man seinen Blockbuster auf einem sechseinhalb Zoll „großen“ Handyscreen im Berufsverkehr.

Too big to fail? Filmemachen ist nicht gleich Investmentbanking

Wenn wir schon beim Thema Größe sind: Think Big gehörte ganz sicher zu den Maximen des letzten Jahrzehnts. Und das nicht erst seit dem Merger, dem Aufkauf, dem Zusammenschluss, dem „Schlucken“ von Twentieth Century Fox durch den immer weiter expansiven Multi Walt Disney. Größe scheint als das Allheilmittel für die Anforderungen der Zukunft angesehen zu werden.

Worin auch immer die bestehen. Stagnierende oder sogar schrumpfende Kinomärkte? Eine wachsende Gefahr aus dem Osten … wo doch der Kinomarkt in China so ziemlich der einzige ist, der noch vielversprechende Zuwächse an den Kinokassen verspricht? Der zunehmende Erfolg der sogenannten Hollywood-Disruptoren wie Netflix, Amazon Prime oder bestimmt auch bald Apple TV+? Aber ist Größe schon alles? Stammen die wahren Perlen der letzten Jahre nicht häufig aus Independent-Studios und aus der Hand noch recht junger Produzenten?

Noch mal zurück zu Disney: 40 Prozent des Umsatzes an den (US-)Kinokassen landen mittlerweile beim ehemaligen Mickey-Mouse-Konzern. Disney = too big to fail? Ja. Und nein. In Sachen Kreativität bestimmt nicht. Der Flop von SOLO: A STAR WARS STORY schmerzt auch einen ganz Großen. Vielleicht nicht im Portemonnaie. Aber beim Ego. Enttäuschungen sind nie schön. Wird sich auch Netflix kurz nach der Premiere von EL CAMINO: EIN BREAKING BAD-FILM gedacht haben.

Andere scheint die Sorge vor einem Misserfolg weniger zu tangieren. Kenneth Branagh lieferte mit MORD IM ORIENT-EXPRESS eine Story ab, bei der man schon zu den seit dem Zweiten Weltkrieg im Dschungel von Guam eisern ausharrenden japanischen Soldaten gehören müsste, wenn man diesen Film, diesen Stoff nicht schon in irgendeiner Fassung im Kino oder Fernsehen rauf und runter gesehen haben will.

Ob Branaghs Fassung ein Erfolg war? Wir haben es schon vergessen. Auf jeden Fall hält es ihn nicht davon ab, 2020 den TOD AUF DEM NIL nachspielen zu lassen. Mal gucken, ob sein Cast auch dieses Mal leicht verwundert darüber ist, warum man nach so vielen Drehtagen so wenige Szenen hat – und stattdessen der Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion die Leinwand in voller Breite und mehrheitlich für sich allein beansprucht.

Hollywood macht unsterblich? Nur die Guten!

Immerhin: Nach Branaghs Auffrischungs-Verfilmungen dürften auch die Jüngsten wieder etwas mit dem Namen Agatha Christie anfangen können. Und damit Branaghs Schaffen nicht nur noch in cineastischen Nachhilfestunden besteht, lässt Hollywood einige der Besten vorsichtshalber erst gar nicht so weit in Vergessenheit geraten.

FAST & FURIOUS-Raser Paul Walker – 2013 ausgerechnet bei seiner liebsten Beschäftigung, dem Autofahren, wenn auch außer Dienst, zu Tode gekommen – saß dank Tricks und Kniffen auch in der nächsten Franchise-Folge, als „Untoter“, wieder am Lenkrad. Stan Lee – Marvel-Urgestein – tauchte schon zu Lebzeiten in allen auf sein Comic-Konto gehenden Verfilmungen als Cameo auf. Und es spricht beim heutigen Stand der Technik eigentlich nichts dagegen, dass er das nach seinem Tod 2018 auch in Zukunft tun könnte.

Superhelden sind ja schließlich auch keine Superhelden. Sondern ganz normale Schauspieler. Den Rest erledigt der Rechner. Warum soll sich da zum Beispiel hinter F11 nicht jedes Mal ein passender Stan Lee verbergen? Carrie Fisher hat es da schon schwerer. Nicht, weil sie schon seit 2016 nicht mehr unter uns weilt. Oder der allerneuesten Tricktechnik ausgerechnet bei ihr nichts einfällt. Aber es wird keine Fortsetzung der STAR WARS-Skywalker-Saga geben. Und dann brauchen wir natürlich auch keine Leia mehr. Logisch.

Vielleicht hat Martin Scorsese auch deswegen Netflix so bekniet, mit THE IRISHMAN noch einmal so ein richtig episches Stück inszenieren zu können. Jetzt. Und nicht in zehn Jahren. Schauspieler, Filmstars, mit der von ihm verlangten Qualität leben nun mal im richtigen Leben nicht ewig. Wobei wir es uns für seine drei Hauptfiguren und ihn selbst natürlich sehnlichst wünschen würden.

Wie schnell man von der Bildfläche verschwinden oder aber in selbstgewählte Vergessenheit geraten kann, haben wir im letzten Kinojahrzehnt auch schon gesehen. Eben noch mit wäschegestärkter Smokinghemdenbrust im Blitzlichtgewitter der roten Teppiche – und gar nicht mal so lange danach gramgebeugt und Rollator-unterstützt vor den Schranken des Gerichts: Das neue Reinheitsgebot von Hollywood, Hashtag MeToo, macht es möglich.

Harvey Weinstein – vom geilen Mogul zum schlaffen Würstchen. Gar kein schlechter Filmtitel. Oder John Lasseter. Eben noch Modellbahnfreund mit Top-Job bei Disney und Pixar. Jetzt nur noch Modellbahnfreund. James Gunn. Ein paar lässig-dumme Sprüche. Achtlos hingeworfen. Und beinahe wären die GUARDIANS ohne ihn OF THE GALAXY geflogen. Johnny Depp? Nun, der schlägt sich so durch. Sorry, ja. Ist ja gut. Der Gag lag aber nun mal auch sowas von auf der Hand. Natürlich sind und bleiben wir Depp-Fans. Einfach, weil er kann … wenn er will. Andere wollen … und können nicht. Kevin Spacey zum Beispiel vertreibt sich die Gras-drüber-Wartezeit als YouTube-Filmer mit skurrilen Weihnachtsbotschaften.

Und sonst noch? Woody Allen dreht noch Filme. Aber ob die noch jemand sehen will? Vielleicht, wenn man einen RAINY DAY IN NEW YORK erwischt hat und partout mal wieder überhaupt nichts im Fernsehen kommt. All jenen – mit Ausnahme von Fisher, Lee und Walker natürlich – kann man natürlich immer sagen: Das Leben verläuft in Wellenbewegungen. Hollywood merkt das gerade am eigenen Leib. Da setzen nun alle, aber auch wirklich alle Studios auf Streaming. Und was macht Netflix? Kauft Kinos. Ätsch. Wie gesagt: Wellenbewegungen.

So. Genug zurückgeblickt.

Und was passiert in den nächsten zehn Jahren, den Zwanzigern?

Nun, zunächst mal werden wir Gewissheit in der quälenden Frage erlangen, ob 007 (wir haben nicht DER Bond gesagt!) zukünftig schwarz, gelb, blond, sommersprossig oder als Doppelnull auch mit Doppel-D ausgestattet ist.

Alles Weitere sehen wir ganz entspannt. Selbst wenn das Kino der Zukunft aus dem Wasserhahn kommt. Da legen wir uns schon mal fest.

FILM IST LIEBE!

Das bleibt so.

 

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