Arschloch-Promis | UNVERBLÜMT

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Sou Boujloud: Profilbild
Arschloch-Promis

Diejenigen, die meine Kolumne oder mich ein wenig kennen, wissen, dass ich mich nicht nur mit Film beschäftige, sondern auch mitunter bei Fernsehproduktionen tätig bin. Da trifft man schon mal auf die Crème de la Crème der Promiwelt. Mit einigen arbeitet man intensiver, mit anderen gibt es allerhöchstens mal ein flüchtiges „Hallo“. Aber jedes Mal stellen mir Freunde und Kollegen dieselbe Frage: „Und? Ist der Promi nett oder ein Arsch?“ Das scheint ein sehr wichtiges Thema zu sein. Ich meine … davon leben unzählige Boulevard-Zeitschriften und -Sendungen.

Wir sehen Schauspieler auf Bildschirmen und machen aus ihnen Übermenschen. Ein aktuelles Beispiel ist Keanu Reeves (den ich selbst wirklich, wirklich, wirklich sehr gerne mag). Es vergeht kein Tag, an dem man in der virtuellen Welt nicht mindestens einmal unbeabsichtigt über seinen Namen oder eine Geschichte aus seinem Privatleben stolpert. Er macht Filme und wird für uns zum Superhelden. Er reitet auf einem Pferd und knallt dabei ein Dutzend Bösewichte ab. Keanu Reeves ist ein Superstar. Einer, der in der wirklichen Welt U-Bahn fährt, sich mit einem Obdachlosen bei einem Bier unterhält und sich bei seiner eigenen Premieren-Party bei Regen in die Warteschlange stellt, weil ihn der Security nicht erkannt hat.

Und an dieser Stelle ertönt ein Chor an Schmachtgeräuschen: „Was für ein toller Typ. Er ist erfolgreich UND nett!“ Ist das eine Seltenheit?! Nächste Woche startet der Kinofilm KROOS, der momentan damit beworben wird, dass dieser Toni Kroos trotz seines Erfolgs mit beiden Füßen fest auf dem Teppich geblieben ist. Welch millionenschwerer, bescheidener Fußballergott. Wie kann es eigentlich sein, dass wir darüber verwundert sind? Und wieso ist das so wahnsinnig interessant? Ist es uns denn wichtig, ob der Kassierer an der Tankstelle einen guten Charakter hat? Oder unser Nachbar von gegenüber?

Eigenartigerweise sprechen wir erfolgreichen und vor allen Dingen bekannten Persönlichkeiten das Recht auf arrogantes Arschlochdasein zu. Warum macht Erfolg eigentlich so kacke? Oder ist das ein Garant für Erfolg? Hierzu kann ich klar sagen: Das eine hat sicherlich nichts mit dem anderen zu tun. In den vergangenen Jahren bin ich vielen Promis von Kategorie A bis Z begegnet. Und aus aktuellem Anlass will ich hier mal ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern.

Aktuell wirke ich bei einer TV-Produktion mit, bei der ich intensiver denn je mit einem Prominenten arbeiten muss. Wenn man so viel Zeit miteinander verbringt, ist es das Allerwichtigste, dass man sich gut versteht. Das gilt eigentlich für alle Bereiche. Ist die Stimmung nicht so gut, macht die Arbeit nur halb so viel Spaß. Oder gar keinen.

Jedenfalls merkte ich, wie unruhig ich dem Tag entgegenfieberte, an dem ich erfahren sollte, mit wem ich die nächsten Wochen fast 24 Stunden am Tag verbringen würde. Haben wir schon zusammengearbeitet? Ist es eine Frau oder ein Mann? Hat er Allüren? Gilt er als „pflegeleicht- oder Pflegefall?“ Solche Dinge gingen mir durch den Kopf. Und als ich dann den Namen erfuhr und feststellte, dass wir uns zuvor noch nie begegnet waren, fühlte ich mich genau so wie vorher. Zwar etwas erleichtert, dass ich es mit niemandem zu tun habe, der oder die mir schon einmal das Arbeitsleben schwergemacht hat, aber mehr löste dieses neue Wissen auch nicht aus. Denn ich habe längst gelernt, dass Promis auch nur Menschen sind, und nur, weil meine Kollegin gute Erfahrungen mit jemandem gemacht hat, sagt es nichts weiter aus als eben genau das.

Viele Jahre schon betreue ich ab und zu Promis während TV-Produktionen. Das macht Spaß und kann auch mal außerordentlich interessant sein. Manchmal bin ich aber auch heilfroh, wenn ich diesen Menschen erst einmal nicht mehr begegnen muss. ABER: Das passiert wirklich sehr, sehr selten! Weil: Man kann sich auch mal zusammenreißen.

Auf die mir also schon mindestens 100 Mal gestellte Frage kann ich nur folgendermaßen antworten: Es gibt solche und solche. Tatsächlich wird branchenintern viel gesprochen. Der eine oder andere Promi hat also schon seinen Ruf weg. Allerdings habe ich oft die Erfahrung gemacht, dass Gerüchte oder ein Ruf, egal ob gut oder schlecht, niemals ernst genommen werden sollten. Im Gegenteil. Ich habe mich nämlich schon öfter sagen hören, dass ich einen ganz anderen Eindruck habe als dieser Person nachgesagt wird. Und schlussendlich ist meine eigene Erfahrung für mich die wichtigere.

Und vielleicht sollte man sich auch die Frage stellen, wieso manche Promis arrogant und gemein sind. Oder zumindest als so empfunden werden. Das lehrt nämlich auch, dass Arschloch nicht gleich Arschloch ist. Da gibt es verschiedene Kategorien. Hier meine Top drei:

DER KOMPENSATOR
Wir alle kennen jemanden in einer höhergestellten Position, der aller wahrscheinlichkeit nach nur in diese Position gekommen ist, weil er seine Seele an den Teufel verkauft hat. Oder seinen Körper. In diesem Fall wäre der Teufel ein Manager. Oder so.

DER RÄCHER
Als Kind gemobbt und weil es leider an Kryptonit fehlt, wird das Superschurkendasein vom Chefsessel zelebriert.

DER IDIOT
Sido und Jenny vergessen niemals ihren Block. Aber da gibt es einige, denen nicht bewusst ist, dass sie denjenigen, die ihnen auf dem Weg nach oben geholfen haben, im Fall eines Sturzes wiederbegegnen werden.

Stellt euch mal vor, ihr würdet einen Job machen, der von vielen Menschen wahrgenommen wird. Und diese Menschen nehmen sich das Recht heraus, euch nicht nur während eures Jobs zu beobachten und bewerten, sondern verfolgen euch auf Schritt und Tritt. Sie scannen euer Äußeres, eure Freunde und Partner. Zu allem haben sie eine öffentliche Meinung. Und wenn du ihnen zufällig auf der Straße oder im Restaurant begegnest, erheben sie, wie völlig selbstverständlich, Anspruch auf deine Zeit. Deine private Zeit. Du musst Fotos mit ihnen machen und deinen Namen auf Zettel und Körperstellen kritzeln.

Das ist übergriffig. Es ist den wenigsten jedoch bewusst. Und diese Übergriffigkeit, gepaart mit der Ikonisierung, verdirbt die Selbstwahrnehmung eines in der Öffentlichkeit stehenden Menschen. Wir sind es, die die Promis verderben, und staunen mit leuchtenden Augen, wenn es einen Keanu Reeves gibt, der sich der Lächerlichkeit dessen bewusst ist und einen Weg gefunden hat, seine Natürlichkeit zu bewahren.

Sou Boujloud

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