Monsieur Claude 2 rassistisch?! Au contraire! | UNVERBLÜMT

MONSIEUR CLAUDE – ein konservativer, grimmiger und vor allem patriotischer Kautz aus Frankreich – musste sich 2014 im ersten Teil, MONSIEUR CLAUDE UND SEINE TÖCHTER, damit arrangieren, dass jede Tochter einen Nicht-Franzosen geheiratet hatte. Ein vierfacher kultureller Multischock, den Monsieur Claude – Gott, sei Dank – überlebt und sich damit mehr als arrangiert hat. Seit dem 4.4.19 läuft der zweite Teil in den Kinos. In MONSIEUR CLAUDE 2 (Antje Wessels’ Kritik) kommen Monsieur Claude und seine Frau Marie von einer langen Reise in jedes Heimatland ihrer Schwiegersöhne zurück.
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MONSIEUR CLAUDE 2: Reisen erweitert den Horizont

In diesem Fall eher nicht. Zurück in seinem kleinen französischen Kaff angekommen, ziehen Monsieur Claude und seine Frau Marie ein Fazit: Zu Hause ist ALLES am schönsten. Doch nun wollen die Schwiegersöhne, die Claude einst nicht los wurde, Frankreich verlassen. Und seine Töchter mitnehmen! Und wieder beginnt eine nervenaufreibende Odyssee für unseren pensionierten Monsieur Claude, der sich nicht nur einmal fragt: „Qu’est-ce que j’ai fait au Bon Dieu?!“ Zu Deutsch: „Lieber Gott, was habe ich denn jetzt schon wieder verbrochen?!“

Das ist übrigens ein Satz, den sehr viele Franzosen benutzen. Und jetzt muss ich wieder grinsen, weil diese Tatsache eben auch einfach sehr viel über den Klischeefranzosen aussagt. Ich will diesen Kommentar  eigentlich wirklich knapp halten. Zum Einen, weil diese Thematik sehr sensibel ist und schnell ausarten kann. Und zum anderen, weil ich mich einfach nicht so lange damit befassen möchte. Das kann nämlich einiges an Leichtigkeit und Spaß killen.

Deshalb gleich zu Beginn Copy & Paste aus Wikipedia:

Humor ist die Begabung eines Menschen, der Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen, den alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicken mit heiterer Gelassenheit zu begegnen.[1] Diese engere Auffassung ist in der sprichwörtlichen Wendung Humor ist, wenn man trotzdem lacht ausgedrückt, die dem deutschen Schriftsteller Otto Julius Bierbaum (1865–1910) zugeschrieben wird. {…}

MONSIEUR CLAUDE 2 hat mich zum Lachen gebracht. In diesem Film kriegt wirklich JEDER mindestens einmal sein Fett weg. Wie mit einem Vorschlaghammer werden auf Stereotypen und Klischees eingeschlagen. Das Fett spritzt in alle Richtungen und dem Zuschauer direkt ins Auge. Alles ist überspitzt und ganz oft aber tatsächlich auch wahr.

Wer MONSIEUR CLAUDE 2 für rassistisch hält, hat den Film nicht verstanden

Zunächst einmal: Recherchiert, bevor ihr die Rassismuskeule schwingt! Drehbuchautor und Regisseur Philippe de Chauveron wuchs mit Ausländern auf und heiratete eine schwarze Muslima. Wie, zur Hölle, kann man ihm da Fremdenfeindlichkeit vorwerfen?!

Ist das etwa typisch Deutsch?

Mir ist da eine Sache aufgefallen. Und zwar schon, bevor MONSIEUR CLAUDE 2 herauskam. Mir scheint, dass Deutsche viel empfindlicher auf vermeintlichen Rassismus reagieren als die Betroffenen selbst.

Sobald etwas nicht ganz politisch korrekt erscheint und lauthals darüber gepöbelt wird, kann man sicher sein: Es ist ein Deutscher, der sich gerade stellvertretend aufregt. Vielleicht hat es mit der „eigenen“ Geschichte zu tun, auf die die Deutschen blicken. Auch, wenn die Mehrheit nichts mit Hitler am Hut hatte … weil sie damals noch nicht gelebt haben. Ich meine, es ist ja schon ein Weilchen her, und trotzdem ziehen wir – die Deutschen – sich diesen Nazischuh immer wieder an, um sich lauthals davon zu distanzieren.

Und natürlich kann man dann auch verstehen, dass eine gewisse Überempfindlichkeit herrscht, sobald etwas auch nur in diese Richtung geht. Muss da etwas kompensiert werden, oder ist der Otto Normaldeutsche einfach nicht so schwarzhumorig? Und: Bin ich rassistisch, weil ich das jetzt behaupte? In meiner eigenen Heimat? Gegenüber meinen „Gastgebern“, sozusagen? Wenn ich „Deutsche“ sage, merke ich, wie ich mich gar nicht mit dieser Abgrenzung identifizieren kann. Neulich erst sagte ich: „Wir haben damals auch ganz schöne Scheiße gebaut mit Hitler.“ Sehr ihr? Das war jetzt gar nicht so korrekt von mir. Aber wenn ich das meiner chinesischen Freundin erzähle, meinem türkischen Kumpel oder meinem deutschen besten Freund, würden die mit Sicherheit noch eine kleine Schippe drauflegen.

Warum? Weil man manche Dinge nicht immer unsagbar ernst nehmen und sie erst recht nicht schwerer machen sollte, als sie es verdient haben. Ich sehe mich als Teil der Deutschland-Gang. Und auch als Teil der Ausländer-Gang. Und auf beiden Seiten kann man sich gern lustig machen. So lange kein echter und direkter Hass dahintersteckt, ist (fast) alles erlaubt, finde ich.

MONSIEUR CLAUDE 2 als Spiegel der Gesellschaft

Vor einigen Wochen regte ich mich über einen Artikel einer jungen Dame mit vietnamesischen Wurzeln auf, die auf außerordentlich aggressive Weise jeder Frage nach ihrer (offensichtlichen) genetischen, außerdeutschen Herkunft eine rassistische Gesinnung unterstellte. Das hat mich geärgert. Aus vielen Gründen. Aber am meisten, weil leichtfertig mit diesem schweren Wort umgegangen wird, und vor allem, weil Diversität etwas sehr Schönes ist. Und je mehr Aufmerksamkeit und Gewicht wir auf die negative Bedeutung der Andersartigkeit legen, desto schwieriger wird die Überwindung der Angst vor dem Fremden.

Und bevor man das Offensichtliche totschweigt, finde ich, macht man doch lieber Witze darüber. Denn wenn man etwas ad absurdum führt, wird es irgendwann derart belanglos, dass es nichts mehr bedeutet. Vorsicht: Damit meine ich nicht, dass die Kolonialisierung oder auch der Holocaust in irgendeiner Weise bedeutungslos gemacht werden sollten! Aber Ignoranz hat noch nie irgendwem geholfen. Und Überempfindlichkeit ebenso wenig. Aber Humor.

Monsieur Claude hält uns einfach nur den Spiegel vor. Und ich finde es ausgesprochen amüsant, dass jeder von uns hineinblicken kann und jemanden sieht, der in überspitzer Form im Film auftaucht.

Ich habe zwei Herzen

Deutsche. Mit Migrationshintergrund. Ob meine Eltern vor 40 Jahren ahnten, dass sie ihre Kinder mit zwei Herzen in der Brust in dieses Land gebären würden, bezweifle ich. Es ist ein großartiges Phänomen. Diese beiden Herzen vereinen mein deutsches Leben, die Gedanken, die Sprache, in der ich träume, und weitestgehend die Werte, nach denen ich lebe.

Das andere Herz ist jenes, welches für meine Wurzeln schlägt. Alle Werte, Bräuche, Traditionen, die zusätzlichen, in Deutschland fremden Sprachen, die mir im Kindesalter vermittelt wurden – all das ist in mir. Und es gibt jetzt sicherlich Millionen da draußen, die gerade ganz genau wissen, was ich meine. Wir sehen die Welt etwas anders. Wir sehen die Dinge von verschiedenen Perspektiven. Wenden verschiedene Wertesysteme an. Wägen in zwei Welten ab. Und zwar gleichzeitig. Diese – ich nenne sie mal – Fähigkeit war mir lange Zeit nicht bewusst. Aber sie wird mir immer wieder deutlich, wenn ich in Konflikte gerate oder mal längere Zeit „nur“ mit Deutschen oder „nur„ mit Ausländern verbringe. Und offensichtlich ermöglicht mir diese Fähigkeit, besser zu differenzieren.

Rassismus everywhere?!

Ich gehöre nicht unbedingt zu der Sorte Ausländer, die sofort als solche „erkannt“ wird. Man schaut mich an und kann mich nicht genau zuordnen. Aber dass ich nicht „deutsch-deutsch„ bin, ist eigentlich jedem klar.

An dieser Stelle eine kleine Anekdote: Während meines Studiums besuchte ich mit Freunden die Oma einer Freundin, um in ihrem Garten Fallobst aufzusammeln. Als ich ins Haus kam, schaute mich die Oma ganz intensiv an und scharwenzelte circa eine Viertelstunde um mich herum, bis sie schließlich mit einem verlegenen Grinsen folgende Frage stellte: „Sagen Sie mal: Welcher Rasse gehören Sie denn an?“

Voll geil. Ich musste so lachen, während meinen Freunden die Kinnladen herunterfielen und ihre Enkelin nur schrie „Oma! So etwas kannst du doch nicht fragen!“ Ihre Antwort: „Ja, wattenn? Die hat so schwatte Augen!“ Und da fiel erst auf: Ich war die einzige „Ausländerin“ in dieser Gruppe. Nichtsdestotrotz fand ich es nicht eine Sekunde beleidigend oder gar rassistisch. Diese Oma kommt aus einer anderen Zeit, und ich spürte, dass sie nicht feindselig, sondern lediglich unbeholfen neugierig war. Und das war absolut okay so. Sie war quasi Marie Claude. Zuckersüß und einfach festgefahren im Konservativenland, welches in ihrem Kopf regiert.

MONSIEUR CLAUDE 2: Jeder gegen jeden

Apropos. Was mir an MONSIEUR CLAUDE 2 besonders gefällt: dass der Film auch interkulturellen Rassismus aufzeigt. Jeder ist irgendwie gegen jeden. Und genau so ist es auch im echten Leben. Es sind nicht nur „Ureinwohner“ gegen Immigranten. Es sind auch Migranten untereinander. Absolut lächerlich und wieder … so wahr.

Was mir sehr oft passiert, wenn dieses lustige Ratespiel nach meiner Herkunft läuft und dann schließlich „Marokko“ fällt: Die Reaktionen sind meist Überraschung und vielleicht ein klitzekleines bisschen Entsetzen. Und die Gründe kenne ich ganz genau: In den Augen dieser Menschen entspreche ich absolut nicht dem Stereotyp, welcher überwiegend in den Köpfen der Gesellschaft verankert ist. Und ich weiß auch ganz genau, welche das sind, und ich kann euch sagen: Viele davon glaube ich selbst! Manche sind sogar wahr, die allermeisten jedoch wirklich veraltet und überzogen.

RebellComedy machen nichts anderes, als sich über ihre eigene Kultur lustig zu machen. Die Eltern symbolisieren meist die orientalische Version des Monsieur Claude. Und da kommt mir noch ein Gedanke: Würden wir trotzdem „Rassismus“ schreien, falls der Regisseur ein schwarzer Chinese wäre? Ist es nicht auch eine Form von Diskriminierung und vor allem Pauschalisierung, wenn wir nur auf die Herkunft schauen und daraus Rassismus schließen? Nicht umsonst war Comedian Oliver Polak mit seinem Programm „Ich bin Jude, ich darf das“ so erfolgreich …

MONSIEUR CLAUDE 2: das Interview

Mein Interview mit Regisseur Philippe de Chauveron ist bereits online. Es gibt aber auch noch ein nicht veröffentlichtes. Darin unterhalte ich mich mit zwei Darstellern aus MONSIEUR CLAUDE 2. Unter anderem mit Noom Diawara, der den afrikanischen Schauspieler spielt, dessen Engagements sich auf Rollen wie die des Drogendealers beschränken. Auch er bestätigte mir, dass er keinerlei Rassismus gegen ihn sehe, sondern eine Wirklichkeit in überspitzter Form dargestellt werde. Wie kann man bei diesem Film also noch überhaupt „Rassismus“ piepsen?!

Chillt mal und genießt den Film!

Sou Boujloud

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