Once Upon A Time … In Hollywood (2019): Kritik | KINO TO GO

Eines vorab: Daniel entschuldigt sich gleich zu Anfang dieser wunderbaren Review, dass manche von euch seine Worte vielleicht schon kennen, weil sie die schon an anderer Stelle – bei Letterboxd – gelesen haben.

Wir entschuldigen uns nicht. Für alle, die sie dann vielleicht doch noch nicht gelesen haben: Hier findet ihr Schröcks Text noch einmal. Oder hört sie euch doch einfach aus Daniels Mund an (was ja sowieso viel schöner ist) … zumal er hier ja auch noch viel mehr zum Besten gibt, als er zu „Papier“ gebracht hat.

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„You like the chewing gum? Strong.“

Another tale from the Tarantinoverse. Sentimental, stilsicher, sich völlig selbst bewusst. Versoffen, verdrogt, verschleppt. Blendend, betörend, nur ein wenig blutig. Ich war nie sicher, was ich von diesem Film erwarten darf. Ob ich überhaupt etwas erwarten soll. Tarantino hat schon oft bewiesen, dass er Erwartungen simultan unterlaufen und erfüllen kann. Das geht für mich entweder direkt auf – wie bei INGLORIOUS BASTERDS und KILL BILL. Oder es entfaltet sich – wie bei JACKIE BROWN und THE HATEFUL EIGHT – langsam, schleichend und kraftvoll. ONCE UPON A TIME … IN HOLLYWOOD zählt für mich zu Letzteren.

Ich konnte ihn währenddessen nie so richtig greifen. Auch direkt danach nicht. Aber je länger ich über diesen Film nachdenke, je mehr ich mit anderen Menschen über ihn spreche, umso mehr möchte ich ihn noch mal sehen. Oder wie es mein Freund Etienne so treffend formulierte: Umso mehr vermisse ich ihn. Denn es gibt zu viel, an dem ich mich noch mal ergötzen möchte. Obwohl es auch so viel gibt, dass man so leicht zerfetzen kann wie ein Pitbull, der ein zartes Gesicht zwischen die Kiefer kriegt.

Da wäre zum Beispiel der ewig lange Einstieg des Films. Wir erleben DiCaprio, der jammert, säuft, arbeitet, der darbenden Karriere als TV-Star entfliehen und nicht vergessen werden will. Wir sehen Pitt, der ihn durch die Gegend fährt, Dinge repariert, nur selten als sein Stuntman arbeitet, aber auch keine großen Ansprüche mehr stellt. Und wir blicken ein wenig in die Welt von Margot Robbie, die voll im Tinseltown-Zirkus steckt, ihr Leben genießt und Bestätigung sucht.

Das alles folgt erst mal keiner übergeordneten Story. Es läuft einfach ab. Es springt kontinuierlich hin und her. Oder es blendet zurück – selbst innerhalb von Rückblenden. Angereichert durch diverse Film-im-Film-Momente, Filmausschnitte der Beteiligten und die volle Ausstattungs-Breitseite aus der Übergangsphase vom alten ins neue Hollywood. In der ersten Hälfte vergehen eigentlich keine zwei Minuten, ohne dass ein Kino, Plakat, Billboard oder sonst ein Andenken gezeigt wird. Das ist cool, Style pur, wunderschön und witzig. Aber es fühlt sich auch so ziellos an. So episodisch. Oder eben wie GTA: Hollyweird.

Und es leidet ein wenig. Zum Beispiel unter den Tarantino-Trademarks. Füße, Filme, Faszination Kino. Es ist alles drin. Aber manchmal wirkt es wie ein Ausverkauf. Oder etwas mühsam. Als ob der Maestro schon tiefer und schwerer graben musste, um all die Zitate, Szenen und Bilder zu finden, mit denen er seiner Lebensaufgabe huldigen möchte. Demütig vermutet: Für die Mehrheit dürfte Bruce Lee die bekannteste unter all den meisterlich verarbeiteten Popkultur-Referenzen sein. Und gerade der war mir dann doch eine Spur zu überzeichnet. Eine Spur zu viel Fremdkörper.

Doch Quentin kommt damit durch. Weil er Lees Auftritt so lang ausspielt, um genug Gags, Zeilen, Schwingungen oder Gast-Stars unterzubringen, die meine Skepsis zerbröseln und zum immer wieder kickenden Tarantino-Joint wickeln. Stichwort: Gast-Stars. Die Besetzungsliste ist blendend. So viele Darsteller tauchen nur für ein paar Sätze, Szenen oder Minuten auf. Das kann mal enttäuschen (Al Pacino oder Luke Perry) und mal verblüffen (sämtliche Star-Töchter). Doch Quentin kommt damit durch. Weil er die Personalfrequenz so konstant hochhält. Weil er deren Talent gekonnt ausreizt. Und weil ihm viele Figuren eben dabei helfen, diese Scheinwelt weiter mit Scheinleben zu füllen.

Keine Frage, der Film lebt auch sehr vom Tarantino-Bonus. So fällt es leichter, an ihm zu zweifeln: Hätte ein anderer inszeniert, würde er dann auch so interessieren? Wäre die Begeisterung oder der Hype so groß? Wäre die Kritik so detailliert, so streng, so analytisch? Vermutlich nicht. Aber ich muss den Umkehrschluss anwenden: Fast keiner außer Tarantino kann solch einen Film erst möglich machen. Deswegen kommt auch nur ein Tarantino damit durch, wenn er Margot Robbie mitten im Film für mehrere Minuten durch die Stadt laufen lässt, um ein Buch zu kaufen und ins Kino zu gehen. Aber deswegen kriegen wir ebenfalls ein paar der schönsten Kamerafahrten 2019 zu sehen.

So, ab jetzt wird gejubelt. Denn diese Sergio-Leone-Shots strahlen wie mein Gesicht. Gleiches gilt für Pitts Spritztouren durch ein L. A., das noch nicht mit Autos vollgestopft ist. Und dann sind da diese Szenen. Diese Momente, die nur Tarantino hinkriegt. Wenn DiCaprio einen Darsteller spielt, der eine Szene spielen muss, mit seiner Leistung hadert und vom Ehrgeiz gepackt wird. Was muss das für ein Mindfuck in seinem Kopf gewesen sein. Aber er macht es großartig. Verzweiflung, Eitelkeit, Verschleiß, Hingabe zum Beruf: Er spielt alles aus. Er ist Rick „fucking“ Dalton. Und ich bin hin und weg.

Weil es so zärtlich ist. Weil Tarantino für mich bis zu diesem Moment so viele Quellen anzapft, um sie zu einem Ganzen verschmelzen zu lassen: die Liebe zum Kino, Leos Karriere, die vielschichtige Bedeutung der Bilder, das Spiel mit dem Zitat im Zitat im Zitat, den Bock auf sein Ding. Und weil DiCaprio hier eine weitere Karriere-Bestleitung abliefert. Doch so hart das auch klingen mag: Brad Pitt hat mich noch mehr gefesselt. Nicht, weil er besser spielt, sondern weil seine Aura aus „Ich komm schon irgendwie hier raus“ und „Ich hab’ schon genug Scheiße erlebt“ noch anziehender ist.

Und weil er zwei für mich entscheidende Phasen so bravourös trägt. Die eine Sequenz erfolgt kurz nachdem ich mich fragte, wohin das alles noch führen solle. Sie wird immer unangenehmer, immer angespannter. Denn ich muss feststellen: Ich habe Angst um Pitt. Plus: Tarantino hat mich doch wieder bei den Eiern. Ich. War. Drin. Bis zur letzten Phase des Films. Über die wird garantiert noch gestritten. Aber ihr Humor, ihre Härte und deren doppelter Boden, ihre schräge Spannung und ihre Erkenntnisse sind für mich so folgerichtig wie unerwartet. Und so verdreht das klingt, so sehr wird es von Pitt beeinflusst. Er ist der Freund, den Dalton braucht. Den ich brauchte.

Das alles kann enttäuschen, kalt lassen, langweilen. Weil das Gefühl der Richtungslosigkeit zu lang vorherrscht. Weil es sich mehr wie viele tolle Szenen und weniger wie ein flüssiger Film anfühlt. Vielleicht, weil sich Margot Robbie nicht wie eine Hauptrolle anfühlt. Oder weil es zu referenziell rüberkommt. Fein für mich, aber ich sehe es nicht so. Dafür sorgt die Best-of-Inszenierung, sorgen die Hauptrollen, ihre Darsteller, das hier kreierte Hollywood und Tarantinos innige Liebe zum Kino.

Aber eben auch die Sehnsucht, die ich für all das empfinde. Für diese liebevolle Fantasie über Film und Freundschaft. Oder Glanz, Ruhm, Vergänglichkeit, Alkohol, Hippies und Hundefutterdosen, die auf LSD geöffnet werden. Ein Erwartungs-Killer. Ein Zeitgeistmärchen. Das Ergebnis einer steilen, andersartigen, zufälligen und einflussreichen Karriere. Ein „Lights, Camera, Action“-Adventure, in dem man verloren geht, aber das Ende nicht wahrhaben will. Ein Tarantino-Film. Und den will ich so schnell es geht noch mal sehen.

Und gratis obendrauf: Noch ein paar Bonus-Tipps von Daniel Schröckert

Wer Daniel zwar aufmerksam zugehört hat, aber nicht dazu gekommen ist, sich die Sachen zu notieren: Eine von Schröcks Empfehlungen ist die Dokumentation THE BANDIT, die einen tiefen Einblick in die enge Zusammenarbeit, das enge Verhältnis, die … Freundschaft zwischen Burt Reynolds (für den Quentin Tarantino eine Rolle in ONCE UPON A TIME … IN HOLLYWOOD vorgesehen hatte) und „seinem“ Stuntman Hal Needham vermittelt.

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Und falls ihr euch die Blu-ray zwar unbedingt noch holen wollt, aber aus irgendeinem Grund noch nicht dazu gekommen sein solltet: Hier ist die von Schröck erwähnte Featurette zu ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD – ein Muss für alle Fans. Viel Spaß damit.

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Filminfo

ONCE UPON A TIME … IN HOLLYWOOD
Originaltitel: Once Upon a Time… in Hollywood
Genre: Drama, Komödie
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Brad Pitt, Margot Robbie, Luke Perry, Al Pacino
Regisseur: Quentin Tarantino
Kinostart: 15.8.2019
DVD-/Blu-ray-Release: 19.12.2019

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Once Upon A Time… in Hollywood

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