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Sou Boujloud: ProfilbildWas mit Harry Weinstein begann, löste eine Kettenreaktion und eine neue (weibliche) Revolution aus, die für das Miteinander zwischen weiblichen und männlichen Arbeitskollegen für immer ein sensibles Bewusstsein geschaffen hat. Diese Debatte hat ein Extrem erreicht, welches hoffentlich bald ein angebrachtes Verhältnis annehmen und dort bleiben wird. Niemand sollte Angst davor haben, alleine mit einem Kollegen oder einer Kollegin in einem Aufzug zu stehen. Vertrauen und Respekt sind die Ziele.

Wer die jüngsten Nachrichten aus Hollywood mitverfolgt hat, hat auch vernommen, dass Regisseur Woody Allen nun Amazon verklagt. Der Grund: Woody sorgte vor vielen Jahren für den einen oder anderen außerordentlich großen Skandal, welcher unter die #metoo-Debatte fiel. Und jetzt findet Amazon, dass dieser Schandfleck keine finanzielle Förderung verdiene.

LEAVING NEVERLAND

Und wir alle haben den Skandal und natürlich auch die vorangegangenen Anschuldigungen gegenüber Michael Jackson aufgrund seiner angeblichen sexuellen Übergriffe an kleinen Jungs über viele Jahre mitverfolgt. Passiert ist aber gar nichts. Wir haben trotzdem die Platten geklauft, Musikvideos angeschaut und den Zombiedance auf Partys gemacht.

Die Dokumentation LEAVING NEVERLAND hat diese fast vergessenen Gerüchte wieder ins Rampenlicht gerückt und den King Of Pop als vemeintlichen Übeltäter und Schuldigen zu entlarven versucht. Das Ding an dieser Sache aber ist: Michael ist leider seit einiger Zeit schon tot und kann sich nicht verteidigen. Oder gar zugeben, dass er es wirklich getan hat. So bleibt jedem von uns nur eins: selbst entscheiden und Konsequenzen ziehen. Oder auch nicht.

Im Radio hörte ich viele Meldungen darüber, dass Michael-Jackson-Songs nun aufgrund der – gar nicht mal so neuen – “Erkenntnisse“ über wahre oder unwahre Ereignisse auf der Neverland Ranch überall verbannt werden sollten. Viele Sender sind dem nachgegangen.

Ich persönlich habe mir weder die Doku angesehen noch irgendeine radikale Meinung dazu. Es ist wie das Starren in den Sternenhimmel: Irgendwann gelangen wir an einen Punkt, an dem wir nicht weiterkommen. Uns fehlt das entscheidende Wissen. Und ich weigere mich, jemanden aufgrund halb garer Fakten zu verurteilen. Was soll diese Doku jetzt überhaupt?! Alles, was sie tut, ist, das Leben der hinterbliebenen Familienangehörigen und vor allem der Kinder schwer zu machen u-n-d die krankhafte Gier irgendwelcher Leute nach der Zurschaustellung übel riechender Leichen zu stillen. Aber die Gesellschafft ist geradezu besessen von Skandalen. So lange sie von den eigenen ablenken. Kindesmissbrauch sollte nie-nie-niemals beschwichtigt werden. Dennoch sollten solche Anschuldigungen vorsichtig gemacht werden.

Die Gesellschaft aber rastet bei jedem Verdacht oder Fehltritt (noch mal: Kindesmissbrauch ist KEIN Fehltritt, sondern ganz schlimm) aus. Wenden wir unseren Blick an dieser Stelle von extremen Fallbeispielen ab und schauen einmal auf diese Tatsache: Es gibt beachtenswert viele bekannte Persönlichkeiten, die befleckte weiße Westen in ihren Kleiderschränken hängen haben. Manche dieser Westen könnten sogar mit einem – Künstlerwitz, wohoooo – Jackson Pollock verwechselt werden.

Schon vor #MeToo keine Unschuldslämmer: Penn, Wahlberg, Downey Jr.

Hier ein paar Beispiele. 1999, Kit Kat Klub, New York: Rapper Jay-Z wurde festgenommen, nachdem er den Produzenten Lance “Un” Riviera mit einem 10 Zentimeter langen Messer in den Bauch gestochen hatte. Das passierte während einer Party für Q-Tips Album „Amplified“. WAS ZUR HÖLLE?! Jay-Z bekannte sich schuldig. Folge: drei Jahre auf Bewährung. Heute feiert ihn die Welt. Super Typ. In seinem Buch „Decoded“ verspricht er uns nämlich, so etwas nie, nie wieder zu tun. Oh, ähm. Na gut. (WTF?!)

1980 wurde Sean Penn zu 60 Tagen Gefängnis verurteilt, nachdem er einen Fotografen angegriffen hatte. Während seiner Ehe mit Madonna wurde er wegen schwerer Körperverletzung angezeigt, nachdem er neun Stunden lang auf Madonna eingeschlagen hatte. NEUN verdammte Stunden!!! Aber daran möchte sich auch niemand mehr erinnern.

Marky Mark, damals ein sexy motherfuckeeer … Heute ist Mark Wahlberg ein gefeierter Hollywood-Star.
Aber wusstet ihr, dass er einem Asiaten mit einer Holzstange auf den Kopf geprügelt hatte und deshalb wegen versuchten Mordes verklagt und schließlich wegen Körperverletzung verurteilt wurde? Sein Opfer soll in Folge auf einem Auge blind geworden sein. Im Gefängnis wurde er dann religiös und beschloss, sein Leben zu ändern. So easy. Halb blindes Opfer, aber – GOTT, SEI DANK – hat der Massachusetts Board of Pardons seinem Antrag von 2014 akzeptiert und diesen „Vorfall“ aus seiner Akte gelöscht. Pardon me?!??

Und ein hingegen eher unschuldiger Kandidat ist Robert Downey Jr.: Dass er ab seinem achten Lebensjahr über Jahrzehnte dank Drogenmissbrauchs und anderer kriminelle Fälle immer wieder im Gefängnis landete, möchte heute keiner sehen. Denn er ist IRON MAN. Und dieser brilliert im aktuellen Film AVENGERS: ENDGAME wieder auf überragende Weise.

Ich für meinen Teil kenne die Hintergründe dieser und vieler anderer bekannter Persönlichkeiten. Und alles, was mir dazu einfällt, ist müdes Schulterzucken. Es ist mir wirklich egal, was diese Leute in ihren Leben verbrochen haben. Für alles, sogar für die schlimmsten Taten, gibt es immer eine Erkjlärung. KEINE ENTSCHULDIGUNG, aber mindestens eine plausible Erklärung. Die menschliche Psyche ist sehr komplex und kann außerordentlich labil sein. Dinge passieren aus Gründen. Ich sehe mich nicht in der Position, irgendjemanden zu verurteilen. Was mir diesbezüglich nur als Gedanke kommt, ist Folgendes:

Die Gesellschaft ist so widerlich bigott

Diese Leute, die immer den ersten Stein werfen, sind die lautesten, wenn es um Vergeltung geht. Sie entscheiden über Ruhm oder Untergang einer Person. Drew Barrymore machte es als Teenie ihren Nachfolgern vor: erst Scheiße bauen, dann öffentliche Reue zeigen. „Ehrlich“ darüber sprechen oder aber auch ein Check-in in der Betty-Ford-Klinik. Dann: abwarten. Erfahrungsgemäß kann der einst gefallene Engel dann neugeboren aus der Unterwelt der Menschlichkeit emporsteigen und als gefeierter Heiliger durchs Leben schreiten. Geliebter denn je. Denn wir vergessen, was wir vergessen wollen.

Ich zweifle gerade an dem Einstieg der heutigen Ausgabe meiner Kolumne. Aber eben genau so war mein Gedankengang. An dieser Stelle noch einmal ausdrücklich formuliert: Sexueller Missbrauch spielt in einer ganz anderen Liga als Prügelei oder Drogenmissbrauch!!! Die Handhabung der Gesellschaft ist in allen Fällen aber ähnlich.

Trotz der Skandale um Woody Allen haben wir uns seine Filme angeschaut. Trotz des versuchten Mordes hören wir Jay-Z und feiern ihn und Beyoncé als Institutionen. Sie werden geradezu vergöttert! Michael Jackson war sicherlich eine kaputte Seele. Dass da irgendwas im Argen war, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und dennoch bin ich der Meinung: Man sollte mit der eigenen Verurteilung vorsichtig sein. Das bringt nämlich nicht viel. Menschlichkeit und das Zugeständnis, unperfekt zu sein, aber schon. Vielleicht nicht hundertprozentig passend, aber: Jedem, der sich mit der Menschlichkeit auseinandersetzen möchte, lege ich wärmstens die Doku HUMAN – DIE MENSCHHEIT ans Herz:

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Regisseur Yann Arthus-Bertrand hat es geschafft, dass der Zuschauer sogar mit Mördern auf einer völlig urteilsfreien Ebene sympathisieren kann. Denn: wer frei von Sünde ist, der werfe doch den ersten Stein …

Liebe.

Sou Boujloud

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