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Sou Boujloud: ProfilbildDass ich heute überhaupt diese Zeilen tippen kann, erscheint wie ein Wunder, wenn man weiß, dass die ersten Jahre meines Lebens eine Serie von Duellen mit dem Endgegner namens Tod bedeuteten.

Das klingt jetzt alles viel dramatischer, als es vielleicht wirklich ist. Ich meine … ich bin ja hier. Und die Geschichten über den Beginn meines iridschen Daseins sind eher nur noch kleine Anekdoten.

Ein kurzer Abriss

Als meine Mutter bereits ein paar Monate mit mir schwanger war, wurde ich von einem Arzt für tot erklärt. Ohne auf diese außerordentlich interessante und seltene Geschichte einzugehen (vielleicht ein andermal), kann ich von Glück sagen, dass in diesem Fall das Gefühl einer Mutter über der Meinung eines Arzts stand und ich somit vor einer tatsächlichen Reise ins Jenseits gerettet wurde. Danke, Mama!

Kaum auf der Welt, checkte ich als Dauergast auf der Intensivstation des örtlichen Krankenhauses ein. Und jedes verdammte Mal, wenn man dachte, „dieses Kind hat jetzt wirklich alles gehabt, was es gibt“, kam das Schicksal um die Ecke und ließ mich Operationen und Krankheiten – ob sie nun eigentlich erst im hohen Erwachsenen- oder generell etwas später als im Kleinkindalter auftreten – bewältigen. So ziemlich FINAL DESTINATION-mäßig. Dann wurde ich sechs Jahre alt.

Ein lila Schmunzelhase aus weißer Schokolade

Meinen sechsten Geburtstag verbrachte ich endlich mal nicht im Krankenhaus. Das ist auch der erste Geburtstag, an den ich mich gut erinnern kann. Damals lud ich meine Freunde ein und kann mich noch ganz genau daran erinnern, wie Mike, mein damals allerbester Freund, mit seinem kleinen Bruder Marc hereinkam. Die beiden hatten eine Rose bei sich, die größer war als wir zusammen, und einen riesigen, lila Schmunzelhasen aus weißer Schokolade.

Wie es Mike und Marc heute geht, weiß ich leider nicht. Aber dieser Schmunzelhase bedeutet mir bis heute so unsagbar viel, dass sich eine Tradition entwickelt hat, die mir mehr bedeutet als jedes Geburtstagsgeschenk auf dieser Welt: Jedes Jahr bekomme ich einen Schmunzelhasen zum Geburtstag.

Meine Mutter konnte nie wirklich verstehen, wieso ich so viel Wert darauf lege, dass sie mir jedes Jahr diesen Schokohasen besorgt. Ich habe selbst nie darüber nachgedacht, weshalb diese Tradition so wichtig für mich ist. Aber ich glaube, es hat etwas mit dem Leben zu tun, das ich danach endlich leben konnte. Ohne Krankenhäuser, in denen ich mir vor lauter Einsamkeit die Kehle aus dem Hals schrie. Ohne gruselige Geräusche, die durch die Krankenhausflure hallten. Ohne Verbände, ohne Nähte, ohne Medizin. Endlich.

Also spamme ich zur Osterzeit meine Mutter mit Fotos aus dem Supermarkt voll, wann immer ich einen Schmunzelhasen sehe. Als Reminder. Denn eine Sache, die ich in meinem Leben gelernt habe, ist:

Sprich über deine Wünsche

NIEMAND kann wirklich wissen, wie es in einem aussieht. Wenn du dir etwas wünschst, dann warte lieber nicht, dass die Person, von der du möchtest, dass sie dir diesen Wunsch erfüllt, von selbst darauf kommt. Menschen können keine Gedanken lesen. Also: Bevor man traurig ist, einfach mal den Mund aufmachen. Apropos Mund aufmachen: Mit 14 Jahren traf ich – vielleicht aus einem Experiment heraus – eine bewusste Entscheidung: „Sag die Wahrheit – auch, wenn es negative Konsequenzen mit sich bringt.“

Zum einen entlastet diese Lebensweise dein Stress-Level im Hirn, weil du nie darüber nachdenken musst, welche Version du wem erzählt hast. Zum anderen trägt es enorm zur Bildung deines Rückgrats bei. Wir alle kennen das. Niemand ist gefeit davor, auch mal hinter dem Rücken eines Menschen zu tuscheln oder sich aufzuregen. Aber wenn man immer davon ausgeht, dass alles, was man sagt, bei der betroffenen Person ankommt, dann prüft man zweimal, ob man dazu steht. Eine andere wichtige Weisheit aus meinem Leben lautet:

Sei mutig!

Bei allem, was dich abwägen lässt. Sei mutig bei risikoreichen Entscheidungen, wenn der Gedanke daran ein kribbelig-wohliges Gefühl in deinem Bauch auslöst. Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, dass wir scheitern. Und nicht einmal das wäre schlimm. Jedes Scheitern in meinem Leben löste eine Energie in mir aus, die ich umzuwandeln gelernt habe. Wut und Traurigkeit – ja, sogar Schamgefühl – sind wunderbare Zutaten für unseren inneren Fluxkompensator, der daraus Energie macht, damit wir unsere Sache besser machen.

Generell finde ich Mut in allen Lebenslagen sehr wichtig. Zum Beispiel auf Reisen! Vor allem auf Solotrips. Ich sag’ euch: Ihr lernt euch selbst erst kennen, wenn ihr alleine auf eine Reise geht. Denn genau dann seid ihr absolut unabhängig von anderen Menschen. Ihr entscheidet selbst, wie der Tag ablaufen wird. Ihr seid allein mit euren Gedanken und findet dann heraus, ob ihr euch selbst leiden könnt.

Denn das ist mitunter das Allerwichtigste: Wollte ich als Teenager noch unbedingt dazugehören, nahm dieser Drang mit dem Älterwerden ab. Ab 20 hört man langsam auf, sich optisch an seine Freunde anzupassen. Man entdeckt seinen eigenen Musikgeschmack und hört auf, genau so zu lachen oder zu sprechen wie die engsten Freunde. Man wird mehr man selbst. Und das ist schön.

Ein gleichaltriger Freund sagte einmal: „Sou, wir kommen jetzt in ein Alter, in dem man Freunde verliert anstatt neue zu gewinnen.“ Und Tatsache: Freunde können gehen. Und das ist auch gut so. Die meisten Freundschaften haben irgendwann ein Ende. Meist liegen die Gründe darin, dass man sich „auseinandergelebt hat“. Wir leben in verschiedenen Kapiteln, und es ist nur ein gutes Zeichen, wenn wir die Entwicklungen auch spüren. Manchmal liegt es aber auch daran, dass man einander einfach nicht guttut.

Ich bin ein sehr sensibler Mensch. Menschen, die mir nahestehen, bringe ich große Loyalität und Liebe entgegen. So bin ich einfach. Nachdem ich das so akzeptiert hatte, hörte ich auf, Beziehungen zu pflegen, die derart im Ungleichgewicht liegen, dass sie mehr Energie kosten als zur Positivität des eigenen Lebens beitragen. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeden Menschen eine Energie umgibt. Sie liegt in uns und je nach Charakter, strahlen wir Gutes oder Schlechtes aus. Manche menschen saugen Energie. Das spürt man und ich bin mir sicher, dieses Gefühl hatten schon viele von euch. Dass man sich in Gegenwart einer Person immer ausgelaugter fühlt.

Karma is a bitch

Das hier wird nicht spirituell. Keine Sorge. Aber Karma ist das Schlüsselwort, Leute. Ich glaube so sehr daran, dass ich immer versuche, die bestmögliche Version meiner selbst zu sein. Das klappt, weiß Gott, nicht immer, haha. Aber ich lerne. Und das Lernen ist schon eine gute Sache für die eigene Entwicklung.

Und Karma spielt auch eine große Rolle im Hegen von Groll. Wenn mich jemand absichtlich verletzt, habe ich keine Rachegefühle. Ich bin geknickt und sauer, ja. Aber ich würde niemals meine Energie und mein positives Wesen darauf verschwenden, auf die Ebene herabzusteigen und schließlich mindestens genauso schlecht zu sein wie die Person selbst. Glaubt mir: Das ist schon einige Male passiert, und bisher hat sich jeder davon seine Grube selbst gegraben. Danke, Karma.

Verschwendet eure Lebenszeit nicht auf Dinge, die ihr nicht ändern könnt. Trauert niemandem hinterher, der nicht Teil eures Lebens sein will. Ärgert euch nicht über den verpassten Job. Bleibt nicht vor verschlossenen Türen stehen. In diesem Korridor des Lebens gibt es noch so viele offene Türen. Nutzt eure Zeit! Denn schließlich ist das Leben irgendwann zu Ende. Und heute komme ich meinem Ende wieder ein Stückchen näher.

Ob ich Angst vor dem Tod habe?

Nun, ich habe nur Angst davor, dass ich nicht das Leben geführt habe, welches mich glücklich sterben lässt. Dass ich viel zu viel Zeit darauf verschwendet habe, über Dinge zu trauern, die ich nicht ändern kann. Das ist die einzige Sache, die ich bereue. Nicht loslassen zu können, wann ich es mag. Sondern erst, wenn es mein Herz will. Und deshalb achte ich sehr darauf, dass ich mich eher nicht in diese Situation manövriere  (ich rede hier von Liebe in allen Formen).

Die gruselige Angst vor dem Tod verlor ich in Mexiko. Vor zehn Jahren reiste ich mit einer Studentengruppe durch Mexiko. Dort war ich während der Día de los Muertos in einer zuckersüßen Stadt namens Puebla. Die Art und Weise, wie die Mexikaner mit dem Tod umgehen, ist so wunderschön und zeigt, dass Angst völlig unbegründet ist. Die Mexikaner feiern den Tod genau so wie die Geburt. Beides hängt zusammen. Dazwischen ist das Leben. Und dieses Leben sollte mit wundervollen Dingen gefüllt werden. Mit Liebe und Güte und Spaß und einfach glücklichen Momenten. Zu dieser Thematik gibt es einen süßen Film, den ich euch ans Herz lege: MANOLO UND DAS BUCH DES LEBENS.

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Der Tod soll jetzt eigentlich nicht das Schlussthema dieser heutigen Kolumne sein. Also gebe ich euch noch kurz ein Résumé meines nun 34-jährigen Lebens: Ich bereue nichts. Denn all meine Erfahrungen und Entscheidungen machten aus mir die Person, die ich heute bin. Und ich kann mich ganz gut leiden, eigentlich. Ich bin dankbar, dass ich so leben darf, wie ich es will. Dass ich die Möglichkeiten bekommen und zum Glück genutzt habe. Weil ich manchmal mutig war und oft einfach nur irre. Ich freue mich auf weitere Abenteuer und das Reisen und bin gespannt, wohin mich das Leben im kommenden Jahr bringen wird.

Um meinen Freund und Mentor Bertram zu zitieren:

Life is amazing. 24/7.

Sou Boujloud

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