Den Appetit woanders holen – aber zu Hause essen? Nicht mit Quibi! | ELMARS HOLLYWOOD

Film-Trailer, Serienhäppchen, Show-Schnipsel, Musik-Clips, Lifestyle-Tipps – schön kurz und handlich, genau richtig fürs schnelle Gucken und Weiterreichen via Smartphone? YouTube! Logisch. Was für eine Frage. Eigentlich keine Frage. Oder doch: Heute, am 6.4.2020, starten Jeffrey Katzenberg und Meg Whitman ihren Streaming-Dienst Quibi (für Quick Bites = Schnelle Häppchen). Mit Quibi hat das Wort „Kurzfilm“ plötzlich eine vollkommen neue Bedeutung! Aber noch ein Streaming-Dienst? Nun: Jeffrey Katzenberg und Meg Whitman sind keine Unbekannten. Und vor allem keine Doofen. Katzenberg brachte bei Paramount das RAUMSCHIFF ENTERPRISE wieder in eine stabile Fluglage, heilte bei Disney die dahinsiechende Zeichentrick-Division und gründete schließlich mit Steven Spielberg und David Geffen das Filmstudio Dreamworks SKG. Whitman war CEO von Hewlett-Packard und eBay, weiß also, wie und mit was sich im Web allerhand verdienen lässt. Genie und Geldsinn: Elmar Biebl stellt das neue Power Couple Hollywoods und dessen Pläne vor.

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Stephan Temp: Portätbild

Zumindest in Hollywood werden die beiden jetzt schon ernstgenommen. Besser gesagt: von Hollywood. Viacom, Disney, Sony, TimeWarner und NBCUniversal gehören zu den Geldgebern von Quibi. Sinn machen solche Investitionen immer in dreierlei Sicht: Man erfährt frühzeitig, was gerade im Busch ist. Man braucht sich später nicht zu ärgern, eine Marktlücke nicht von Anfang an erkannt zu haben. Und man kann vielleicht auch noch ordentliches Geld verdienen.

Denn Quibi mag auf den ersten Blick Parallelen zu YouTube aufweisen, aber ist natürlich ganz anders gedacht und aufgestellt. Quibi bietet (ein Trend, der bei YouTube ja auch immer mehr zu beobachten ist) ausschließlich professionell erstellte Inhalte. Die „Kleinkind-stolpert-über-Schubkarre-und-plumpst-kopfüber-ins-Plaschbecken“-Ära fällt bei Quibi aus. Dafür gibt es Quibi auch von Anfang an nicht für umme: Wer Werbung in Kauf nimmt, ist mit 4,99 Dollar dabei. Ohne Werbung sind es dann schon 7,99 Dollar. Beziehungsweise 8,99 Euro. Im Monat. Was, im Vergleich zu Disney+ oder Apple TV+, nicht unbedingt ein Schnäppchen ist. Aber insofern für das Selbstverständnis von Quibi spricht. Übrigens: Den Appetit (auf Quibi) darf man sich woanders holen (bei YouTube) – aber gegessen wird zu Hause. Sprich: bei Quibi. Auf der eigenen Plattform. Und nur da.

Große Namen sind nicht nur unter den Geldgebern zu finden. Steven Spielberg, Guillermo del Toro, Kevin Hart, Anna Kendrick, Idris Elba, Kiefer Sutherland, Liam Hemsworth, Jennifer Lopez, Reese Witherspoon und Christoph Waltz zählen zu denen, die zukünftig bei Quibi Kreatives in kleinen Dosen oder auch einfach nur ihre Gesichter herzeigen wollen.

Jeffrey Katzenberg und Meg Whitman haben Quibi von Anfang an als globales Angebot ausgelegt. Europäer gucken also nicht erst – wie bei manch anderen Streaming-Anbietern – monatelang in die Röhre beziehungsweise auf den dunklen Bildschirm. Außerdem wird sich Quibi, wie Jeffrey Katzenberg im Gespräch mit Elmar Biebl preisgab, in nicht allzu ferner Zeit auch um lokale Inhalte bemühen. Ein Trend, der ja schon bei Netflix zu beobachten ist, die sich immer stärker dezentral aufstellen und vermehrt nationale Büros eröffnen. Heißt: Produzenten und Drehbuchautoren – aufgepasst!

Quibi: Ist „Thinking small“ das nächste große Ding?

Eine Möglichkeit, Quibi-Inhalte auch auf dem Fernseher zu sehen, gibt es derzeit nicht. Und es ist auch fraglich, ob es eine solche Funktion jemals geben wird, da Quibi sich so selbst seines wichtigsten Unique Selling Points berauben würde. Das Mobiltelefon hat sich als Medium für bewegte Bilder längst einen ihm nicht mehr zu nehmenden Platz im überquellenden Strom der medialen Angebote erobert. Das Nutzerpotenzial ist riesengroß. Und wächst immer noch weiter. Nicht zuletzt deshalb scheint Netflix aus den schon länger gehegten oder zumindest kolportierten Plänen Ernst zu machen, und ein preislich reduziertes Abo-Angebot für die alleinige Nutzung auf mobilen Geräten wie Smartphones zu offerieren. Die weltweiten Abo-Zahlen steigen eben nicht mehr in dem Maße, wie sie noch bis vor kurzem gestiegen sind. Marktsättigung und Stagnation sind Begriffe, die auch noch relativ junge Technologien schon mal in den Mund nehmen oder auf die Flipcharts schreiben müssen. Spezielle Angebote nur für Smartphone-Nutzer könnten ein guter Weg aus der Business-Sackgasse sein. Könnten noch einmal vollkommen neue Schichten und Gruppen von Usern mobilisieren. Die Billigfluglinien haben es vor Jahren vorgemacht.

Wir werden es alle miterleben. Ob Quick Bites „the next big thing“ sind. Zur Not haben wir Berliner ja immer noch die weltbeste Currywurst. Ist auch eine schnelle Sache. Für mal eben so zwischendurch. Übrigens seit 71 Jahren. Telefone gab es da schon. Aber keine, auf denen sich Filme gucken ließen.

 

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