Die neue Lust am Weltuntergang | ELMARS HOLLYWOOD
CONTAGION ist der Renner. Wenn man Zeitungsmeldungen momentan noch Glauben schenken darf. Nicht wegen Corona. Sondern wegen der schon länger grassierenden Fakeritis. Aber die Quellen sind für gewöhnlich seriös, also glauben wir es mal. Und wenn nicht: Dann ist es eben ein gelungener PR-Schachzug. Für einen Katastrophenfilm. In Katastrophenzeiten. CONTAGION? Das ist der Film, in dem sich ein durch Luft verbreitetes, tödliches Virus in rasender Geschwindigkeit über die ganze Welt verbreitet. Woraufhin Laurence Fishburne, Kate Winslet, Jennifer Ehle und Marion Cotillard verzweifelt versuchen, Herr der desolaten Lage zu werden. Einen Panikmacher im Internet gibt es sogar auch – gespielt von Jude Law.
Und ausgerechnet DEN Film wollen im Moment alle sehen? Elmar Biebl hat sich seine Gedanken dazu gemacht. Und ist sich dabei wieder bewusst geworden, welche Liebe (oder ist es Hassliebe?) Hollywood schon ganz, ganz lange zu Seuchen und Siechtum, zu tödlichem Staub und unheimlichen Invasoren hegt.
Nach dem Krieg kam das SCHWARZWALDMÄDEL: Blumenwiesen, Schäfchenwolken und Sonja Ziemanns blendende Zähne als Ablenkung von Schutt und Asche
Ist euch das auch schon passiert? Man sitzt in einem Langstreckenflieger (ja – es gab einmal Zeiten, in denen durfte man das, ohne sich ständig nervös nach seinen CO2-Fußabdrücken umzusehen) und entdeckt im Bordprogramm einen Film wie … na, nehmen wir mal … FLIGHTPLAN – OHNE JEDE SPUR. Ihr wisst schon: der Film, in dem Jodie Foster in einem Flugzeug, in dem eigentlich während des Flugs nichts wegkommen kann, das eigene Kind abhandenkommt. Und Crew und Mit-Passagiere im gleichen Maße immer eigenartiger reagieren, in dem Mutter Jodie immer hektischer und immer hysterischer sucht. Natürlich guckt man sich DEN Film an. In der Hoffnung, dass der Sitznachbar mit der beim Start versteinerten Miene auch einen tiefen Schlaf hat. Aber warum soll man sich den Film auch nicht angucken? Der ist gut. Ins Kino hat man es vielleicht gerade nicht geschafft. Und im Flieger gibt es den auch noch für umme. Dazu sogar im Originalton. Und in Mandarin. Für Globetrotter. Angeber. Und chinesische Fluggäste.
Noch mal: Warum soll man sich so einen Film nicht angucken? Wo doch am Fliegen, uralte Weisheit, die Fahrt zum Flughafen das Gefährlichste ist. Okay. Hotels haben meistens keine 13. Etage. Aus Aberglauben. Oder wegen Gästen, die abergläubisch sein könnten. Fluggesellschaften sind da härter. Runter kommen sie (eh) immer. Auch so eine alte Fluggast- und Fliegerweisheit. Außerdem: Das hat SULLY doch in bester Manier vorgemacht. Sogar in einem Stück. Oder AIRPORT. 1970. Herrlich. Mit Dean Martin als Held der Lüfte. Und Burt Lancaster als Held des Vorfelds. Hätte ich mir an Bord sofort angeguckt.
Wie das in den Bordkinos der Kreuzfahrtriesen ist, also, ob die da auch Katastrophenfilme aus der christlichen Seefahrt zeigen? Und von denen gibt es seit SAVED FROM THE TITANIC – von 1912, noch in Schwarzweiß und mit einer ECHTEN Überlebenden in der Hauptrolle – ja einige. So viele, wie (Wortwitz!) Sand am Meer. Aber ich habe keine Ahnung. Ich cruise nicht. Vermutlich würde die frische Seebrise den Geruch von Angstschweiß bei Bordkino-Mitguckern auch einfach zu schnell wegblasen.
Um auf Elmar zurückzukommen: Sind Katastrophenfilme also vielleicht das richtige Gegenmittel gegen eine emotionale Katastrophe in … ja … in der Corona-Krise. Wer weiß.
Den Zeitungsmeldungen nach ist die Corona-Krise die größte Krise, die größte Herausforderung für unser Land (und nicht nur unser Land) seit dem Zweiten Weltkrieg. Damals hatte man übrigens ein anderes Gegenmittel oder – besser gesagt – eine bessere Medizin FÜR das Vergessen: Felder und Wiesen, Berge und Täler, ein strahlender Himmel und ein strahlendes Mädchen – SCHWARZWALDMÄDEL. 1950 gedreht. Damit eine Nation für 104 Minuten im Kino mal vergessen konnte, dass draußen noch nicht alles wieder so war, wie es wieder werden sollte. So geht’s auch.