Die Golden Globes-Jury frauenfeindlich? Kein Stück! | ELMARS HOLLYWOOD
Wann fing das eigentlich an, dass es bei den jährlichen Preisverleihungen der sogenannten Award Season gar nicht mehr so sehr um die Qualität der eingereichten und schließlich nominierten Filme oder darstellerischen Leistungen der in die engere Wahl gekommenen Schauspielerinnen und Schauspieler ging? Begann das erst mit Harvey Weinsteins zugegebenen und kolportierten Schweinereien – dem Startschuss für die #MeToo-Bewegung? Und war #OscarSoWhite mit dem Vorwurf der Benachteiligung oder vorsätzlichen Nichtberücksichtigung bestimmter Hautfarben bei den Nominierungen davor oder danach? 2018 trugen die Herren auf dem roten Teppich der Golden Globe Awards das Statement „Time’s Up“ am Smoking-Revers. Und die Damen alle schwarz. Die Veranstalter knirschten leise mit den Zähnen, weil Filmkunst und Star-Glamour von politischen Statements und gesellschaftlichen Standpunkten überdeckt zu werden drohten.
Und dieses Mal? Kaum waren die Nominierten für die 77. Golden Globe Awards öffentlich bekannt, machte der lautstarke Vorwurf in allen Branchenblättern und Netzkanälen die Runde, die Jury der Golden Globes sei frauenfeindlich – weil nämlich (wieder mal!) keine einzige Regisseurin nominiert worden sei. Doch Elmar Biebl – Golden Globe-Juror und Mitglied der ins Schussfeld geratenen Hollywood Foreign Press Association – wäre nicht Elmar Biebl, wenn er sich hier und jetzt nicht auch zu wehren wüsste …
Die Golden Globes-Jury frauenfeindlich? Nein! 49 der 87 Juroren sind Frauen
Eines gleich mal vorangestellt: Aus einem Wald kann hinten immer nur das herausschallen, was man vorne reingerufen hat. Sprich: Filmpreis-Jurys können immer nur das bewerten und einordnen, was ihnen zum Bewerten und Einordnen gezeigt wird. Wenn in Hollywood, in den Studios und bei den Produktionsfirmen immer noch viel zu wenige Frauen als Regisseurinnen, Kamerafrauen oder etwa Drehbuchautorinnen zum Zug kommen, dann ist das schlichtweg der Ausdruck der Trägheit der Filmindustrie und des kollektiven Verschlafens der Zeichen der neuen Zeit. Und wirklich nicht die Schuld einer Filmpreis-Jury. Noch dazu, wenn die – wie bei den Golden Globe Awards und der HFPA – von einer Journalistenvereinigung verliehen werden. Was sollen diese Journalisten, Vertreter der Auslandspresse in Hollywood, gegen Missstände in der Filmindustrie tun? Darüber, dagegen schreiben? Ja. Mehr geht ja auch nicht. Die Entscheidungen, wer welchen Film machen darf, wessen Film am Ende gedreht wird und wessen Namen letztlich im Abspann stehen, treffen sie nicht. Beim Deutschen Filmpreis ist da man schon weiter.
Da haben andere sicherlich mehr Macht oder zumindest mehr Gelegenheiten zur direkten Einflussnahme: Die Producers Guild of America. Die Screen Actors Guild. Die Costume Designers Guild. Die Writers Guild. Die Art Directors Guild. Die American Society of Cinematographers. Die Directors Guild of America. Die American Cinema Editors. Sie alle vergeben Filmpreise. Und die rund 6.000 Mitglieder der Academy of Motion Picture Arts and Sciences müssten sogar am meisten bewegen können: Sie sind allesamt Filmschaffende. Sitzen an den Schalthebeln der Traumfabrik. Und ihr Oscar ist der immer noch wichtigste Filmpreis von allen. Tja. Wenn nur die Academy nicht so unbeweglich wäre.
Also mal gucken. Was denn bei all denen am Ende für Namen auf dem Zettel stehen. Die Screen Actors Guild (Preisverleihung am 19.1.2020) hat ihre Nominierten gerade bekannt gegeben – da hätte allerdings nur die Kategorie „Outstanding Action Performance by a Stunt Ensemble“ die Chance geboten, das zarte Geschlecht etwas mehr als zuvor ins Rampenlicht zu rücken. Und die Nominierungen der Critics‘ Choice Awards (Verleihung am 12.1.2020) sind nun auch bekannt – und da sind (neben allen Darstellerinnen und solchen technischen Gewerken wie Kostüm, Make-up, Ausstattung, Schnitt) auch Frauennamen dabei: Nämlich Lulu Wang für das Best Original Screenplay von THE FAREWELL – für den sie bei den Globes in der Kategorie Best Foreign Language Movie ja auch nominiert ist – als Regisseurin. Und die Golden-Globes-Preisträgerin und (für LADY BIRD) Oscar-Nominierte Greta Gerwig – und zwar gleich mit zwei Nominierungen für LITTLE WOMEN: Einmal für die Regie, einmal für das beste adaptierte Drehbuch.
Fazit
Ein weiblicher Name mehr als bei den Golden Globes – also in den vergleichbaren Award-Kategorien. Der große Wurf, der große Ruck, der große Befreiungsschlag sieht anders aus. Erstaunlicherweise vernehmen wir bisher noch gar keinen Protest. Dafür sind wir jetzt schon ziemlich sicher, dass wir Greta Gerwig doch auch bei den Golden Globes 2020 sehen werden. Schließlich wird sie ihre bessere Hälfte, MARRIAGE STORY-Regisseur und -Nominierter Noah Baumbach, in der Stunde eines möglicherweise großen Triumphs doch nicht allein an seinem Tisch im Beverly Hilton sitzen lassen wollen.
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