Bittere Diagnose: Hollywood hat Sequelitis im Endstadium | ELMARS HOLLYWOOD

Einsicht ist der beste Weg zur Besserung. Oder der erste Schritt zur Besserung. Sagt man. Von wem dieses gern verwendete Sprichwort letztlich stammt? Keine Ahnung. Aus Hollywood bestimmt nicht. Besserung? Wenn man sich die Top Ten der 2019 gestarteten Kinofilme anguckt, sind da bislang sechs Sequels oder Franchise-Fortsetzungen sowie drei Realverfilmungen bereits bekannter Stoffe aufgelistet – und nur ein einziger originaler, neuer, mit keinem vorherigen Werk verwandter oder verschwägerter Film. Welcher das ist, verrät euch Doktor Biebl in seinem Video. In dem er der Traumfabrik übrigens auch gleich ein bitteres Gesundheitszeugnis ausstellt: Hollywood hat Sequelitis – im Endstadium.

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Stephan Temp: Portätbild

Nostalgie? Oder Einfallslosigkeit? Lieber Nummer sicher? Oder doch mal Risky Business?

Der dritte Teil von, die vierte Folge von, der fünfte Film über: Das Thema Sequels, Fortsetzungen, Remakes – es regt uns in ebenso schöner (?) Regelmäßigkeit auf wie die uns nun schon länger und hinreichend bekannten Filmfiguren, Superhelden und Filmstoffe immer und immer wieder auf die Leinwand zurückkehren. Elmar hat ja gerade ein paar der Kandidaten aufgezählt. Die Liste ist jetzt schon lang. Und dabei ist das Jahr 2019 noch nicht einmal zur Hälfte um.

Woran das liegt? Gibt es keine frischen Ideen? Keine spannenden Geschichten? Keine schillernden Figuren? Oder: zur Abwechslung mal neue Gesichter? Doch, das alles gibt es. Sogar im Überfluss, wenn man Insidern aus Hollywood – Drehbuchautoren, Casting-Agenten, Filmproduzenten – Glauben schenken darf. Nur: Das alles wird gar nicht nachgefragt.

Die großen Studios gehen lieber auf Nummer sicher. Vermeiden – denken sie – jedes Risiko. Wenn die wüssten! Die Besucherzahlen der Kinos in aller Welt, von „Nachholern“ wie China einmal abgesehen, entwickeln sich ja nun nicht gerade in die Richtung, wie sie den Major-Studios vorschwebt. Filme kosten Geld. Das meiste Geld kostet es, sie zu bewerben. Sie dem Publikum schmackhaft zu machen. Man könnte also meinen, dass sich dieser Aufwand reduzieren ließe, wenn man uns schon längst bekannte Filminhalte und Filmfiguren auf der Leinwand vorsetzte. Bei denen man uns nicht erst lange vom Filminhalt und den Filmfiguren überzeugen müsste. Aber das Gegenteil ist der Fall: Von Fortsetzung zu Fortsetzung wird es schwieriger und mühsamer, uns zu verklickern, dass wir diesen Teil, dieses Sequel oder Prequel nun unbedingt auch noch sehen müssen.

Noch haben die Streaming-Anbieter, also Netflix, Amazon & Co., hier noch Vorteile. Ihr Image ist „frischer“. Steht für neuen Wind. Für Mut zu Neuem. Für Experimentierfreude. Man kann ihnen nur wünschen (sorry, Kino!), dass das noch eine Weile so anhält. Und sie nicht auch in die bekannten Muster verfallen. Oder unter dem Zwang, angesichts des zunehmenden Wettbewerbs der zahlreicher werdenden Streaming-Anbieter ständig liefern zu müssen, der Kreativität aus wirtschaftlichen Zwängen mehr und mehr nur noch eine Nebenrolle zugestehen.

Oder ist das alles gar nicht so wild? Wird im Showbusiness vielleicht im Sinne der Theatralik gerne und früh allzu schwarzgemalt? Vielleicht freuen wir uns ja auch auf viele der Fortsetzungen. Auf BEVERLY HILLS COP 4? Auf TOP GUN: MAVERICK (2020)? Auf SHERLOCK HOLMES 3 (2021)? Auf den nächsten INDIANA JONES (2021)? Auf AVATAR 3 (2024). Auf TRIPLETS, den Nachfolger von TWINS (2020)? Auf FALSCHES SPIEL MIT ROGER RABBIT 2 (2022)? Auf DER PRINZ AUS ZAMUNDA 2 (2020)?

Oder etwa – auch wenn Filme, wie wir immer betonen, Geschmacksache sind – doch nicht? Dann bliebe immerhin noch eine Möglichkeit: Wir müssten uns wehren. In vielen Bereichen unseres Lebens führt es – zwar noch zart, aber dann doch langsam und stetig wachsend – mittlerweile ja doch zu etwas, wenn eine Interessensgruppe in der Öffentlichkeit die Stimme erhebt, das Wort ergreift und sich für Wichtiges stark macht. In Hongkong hat es – toi, toi, toi – ein Nachdenken der Herrschenden bewirkt. Das türkische Volk beweist gerade, dass es mit dem Begriff Demokratie durchaus noch etwas anzufangen weiß. Die „Fridays for Future“-Demonstrationen entwickeln sich mehr und mehr zu einer der vielleicht wichtigsten Meinungsbekundungen und Bewegungen unserer Gesellschaften.

Menschenrechte, das Wohl unserer Erde: Das sind natürlich die bewegenden Themen, die entscheidenden Fragen unserer Zeit. Unseres Lebens. Zu viele Sequels, nie enden wollende Franchises sind ein – allenfalls – First-World-Problem. Langweilige Wiederholungen machen unsere Welt nicht weniger lebenswert. Nur eben … langweiliger. Sterbenslangweiliger. Wo auch immer dieses Wort nun schon wieder herkommt. Wahrscheinlich auch nicht aus Hollywood. Aber auch gegen Sterbenslangeweile kann man ja etwas unternehmen. Zum Beispiel demonstrieren. „Thursdays for Originals“. Bis Hollywood aufwacht. Einknickt. Scherz! Wirklich?

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