Zack Snyder’s Justice League Review: Hat sich das Warten auf den Snyder Cut gelohnt?

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ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE

Tell me … do you get a better movie? You will …

Aber das erfordert Sitzfleisch. Und Bereitschaft.
Bereitschaft, sich noch mal auf die gleiche Story einzulassen. Also auf Batman, der ein Team von Superhelden rekrutiert, um zu verhindern, dass die drei Mutterboxen synchronisiert werden: Wandler-Maschinen, die Welten vernichten und alles darin transformieren oder regenerieren können – sogar Superman.
Bereitschaft, sich erneut diesen überbordenden Krampf vor Augen zu führen, der nach zwei Filmen all das erreichen sollte, was Marvel so viel umsichtiger, breiter und besser auf- wie ausgebaut hat. Bereitschaft für das Pathos, die Schwere oder die Düsternis, mit der hier erzählt wird. Bereitschaft für die Optik – für diese aufgedonnerten, rot-gold-braunen, immer irgendwie schmierig, weich oder zerstäubt auftretenden, digital-schwülstigen, stark schattierten Grafiken, die wie ein Hieronymus Bosch wirken, der nur noch Airbrushs für Lowrider-Motorhauben oder Metal-Plattencover gestaltet.
Bereitschaft für Zoom- und Zeitlupen-Exzesse, Green Screen galore, Blitze, Regenschirme von oben, Halleluja. Bereitschaft für eine weitere Götterdämmerung von Zack Snyder.

Nun steht es mir nicht zu, irgendwem vorzuschreiben, was er zu sehen, zu denken, zu mögen, hassen oder ignorieren hat. Alles, was ich bisher tun konnte, war, beobachten, vermuten, einschätzen und das verarbeiten, was in heutigen Zeiten so oft passiert, wenn ein Produkt der Popkultur startet, das genug Geld, Geschichte, Stars und Anhänger unter sich vereint, um auch in den Welten abseits davon für Aufmerksamkeit zu sorgen.
Denn: Wenn etwas so sicher war wie die volle Düster-Dröhnung in ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE, dann die Reaktionen auf den Snyder Cut. Es gab die gleichgültigen, die hasserfüllten, die abgeklärten, die sich bestätigt fühlenden, die, die es schon vorher gewusst haben, oder die begeisterten. Plus Argumentationen rund um Achterbahnkino, Scorsese und/oder Massenkonformität. Kurz gesagt: die klassischen. Sie alle sind verdient. Sie alle haben einen Grund. Und sie alle sollen gern friedlich koexistieren – ob man sie nun mag oder nicht. Nur müssen manche davon auch gar nicht erst entstehen. Manche sind nicht zwingend erforderlich.

Daher bescheiden eingeschätzt: Wer sich auf den Regisseur und seine Vision noch nie einlassen konnte und nicht einlassen kann oder für beide zu viel Abneigung mitbringt, wird ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE nicht mögen. Er sollte ihn eigentlich meiden. Und ausnutzen, dass seine Laufzeit für mindestens zwei bessere Filme ausreicht. Denn dieser immer noch Frankenstein-artige Koloss ist zu sehr von seinem Schöpfer abhängig, zu sehr von ihm beseelt. Er lässt sich nicht völlig losgelöst von ihm betrachten. Oder von der Verehrung, die ihm zuteil wird.
Man kann über den Mann und seine Filme ja fluchen, abkotzen, nörgeln oder eine Liste an inszenatorischen Schwachstellen wie Verfehlungen erstellen. Aber es lässt sich halt auch nicht leugnen, dass er und sie irgendetwas richtig gemacht haben müssen, um so viele Menschen zu erreichen, die so viel Hartnäckigkeit und Druck ausgeübt haben. Ohne diese Loyalität wäre Zack Snyder nicht in der Lage gewesen, seine Vision zu realisieren. Und ohne Snyders eigene Geschichte wäre sie nicht so, wie sie jetzt ist.

Demnach ist die Entstehung dieser Fassung mindestens so kurios und fast beispiellos wie ihre Existenz. Weil sowohl Zack Snyder als auch seine Fans dem gleichen Prinzip folgen oder gefolgt sind, dem Snyders Filme bisher immer folgten: go big or go home. Mit bedenklichen, beschämenden Folgen, wenn Kritiker oder Zweifler des Snyder Cuts, ob sie nun professionell oder privat waren, online zu Boden geschrien, beleidigt oder bedroht wurden – eine Entwicklung, in die Snyder für mein Empfinden zu spät eingegriffen hat.
Aber auch mit erstaunlichen, als zum Beispiel der #releasethesnydercut-Slogan per Flugzeug-Banner über die Warner Studios und Comic Con geflogen oder per Plakatwand am Times Square präsentiert wurde. Oder mit ein paar (zumindest für die Snyders) rührenden: Mit Spenden, dem Verkauf von Fan-Artikeln oder dem Versteigern von Filmrequisiten sammelten Fans eine halbe Million Dollar für die „American Foundation for Suicide Prevention“ zusammen. Das alles mag für die Bewertung so kaum bis gar nicht relevant sein, aber es hilft, um ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE besser zu begreifen.

Daher vorsichtig auch für den ergänzt, der sich nur in seiner Antipathie bestätigt sehen will: Es werden sehr wahrscheinlich die gleichen Punkte sein, die nach wie vor stören. Das Überladene. Das Gehetzte. Die Welt, die sich immer etwas unerklärt anfühlt. Die Figuren, die jeweils einen eigenen Film benötigt hätten. Die Hintergründe, denen es dadurch an Umfang fehlt. Der Ernst, mit dem das alles hier durchgezogen wird. Die Snyder-Patina, die so alles andere als Marvel ist. Die Posen, die viel zu wichtig sind. Die Interpretation der Helden, die entweder zu nervös auftreten (Flash). Oder für die Handlung zu unhilfreich (Aquaman). Oder zu wenig (Batman). Oder zu gebrochen wie noch weniger (Superman).
Das alles gibt es noch, nur einiges davon eben noch intensiver. Und einiges passt inzwischen kaum bis gar nicht mehr zu den Sporen des Snyderverse. Zum Beispiel das eher steife Verhältnis zwischen Mera und Arthur, das mit der Story von AQUAMAN ebenso wenig harmoniert wie der Auftritt von Willem Dafoe als Vulko. Oder Diana, die jetzt wieder mit Schild und Schwert kämpft, obwohl beides durch WONDER WOMAN 1984 ja „bereinigt“ wurde.

Aber selbst bei aller Ablehnung oder Abscheu kann man zugeben: Der Snyder Cut ist der bessere Film. Ja, er ist länger, zügelloser, zeitlupiger und infolgedessen auch actiongeladener, ohne dass es irgendwelche spannenden Konsequenzen mit sich bringt. In fast vier Stunden lässt sich eben eine Menge aufgedonnerter Krawall unterbringen.
Doch ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE ist auch in sich schlüssiger, nachvollziehbarer aufgebaut. Der Cut kann mehr erklären, gibt den Figuren mehr Profil und Geschichte und wirkt gerade optisch einheitlicher, aber auch tonal nicht mehr so gewollt witzig und ungelenk. Er fühlt sich – trotz aller genannten Kritikpunkte, den viel zu hohen Anforderungen und obwohl er niemals für sich allein stehen kann – mehr denn je wie ein einziger Film an. Nicht wie das F(l)ickwerk von zu vielen Entscheidungsträgern, die von zu viel Desinteresse, Angst, Gier, Unwissen, Konkurrenzdruck, Schamlosigkeit oder sonst was getrieben wurden.
Und um Missverständnisse zu vermeiden: Für mich zeigt ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE nicht auf, wer der bessere Regisseur oder Autor ist. Das lässt sich allein aus zeitökonomischen Gründen nur schwer argumentieren. Aber er macht dann halt doch klar, wer eben eine Vision hatte – und wer nur ein Vollstrecker war.

Womit ich dann eigentlich nur noch eins machen kann: meine Reaktion abgeben. In der Hoffnung, ausreichend Verständnis und Umsicht für so viele Kritikpunkte oder Ansichten gezeigt zu haben. Es ist die Reaktion, die ich am wenigsten von mir erwartet hatte. Und vermutlich auch eine der seltensten inmitten all dieser Legitimität. Es ist die bekehrte, die weiterentwickelte, die paradox faszinierte.
Dabei war ich hart davon überzeugt, dass ich den Snyder Cut nicht mögen werde. Dass ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE immer noch der gleiche Film sein wird, den ich damals als so verkrampften, kaputt gewirtschafteten und vergessenswerten Matsch wahrgenommen hatte. Dass er immer noch zu viel von Joss Whedons Auftrag ist, den ich nur für ein paar Szenen, Darsteller und Kunstfertigkeiten respektieren kann, aber doch echt katastrophal fand. Dass es immer noch ein Werk ist, das sich so gut hassen lässt. Der Trailer deutete mir zu sehr darauf hin. Doch etwas mehr als zwei Sichtungen haben mir abermals gezeigt: Ich kann mich mit der Monstrosität eines Einzelnen einfach leichter und besser anfreunden als mit der Missgeburt einer Mehrheit.

Natürlich gibt es auch in ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE Dinge, die mich stören. Die ich entweder als unnötig, zu albern oder nachsichtig empfinde. Zum Beispiel die Trauer von Lois, die mindestens einmal zu oft in Szene gesetzt wird. Dass die Gerechtigkeitsliga Treppen oder in Batmans Crawler steigt, obwohl die meisten Mitglieder entweder fliegen, sehr hoch springen oder schnell laufen können. Beides gehört dann auch zu der Action-Sequenz unter Striker’s Island, die mir nach wie vor zu viel unübersichtliches Gewusel enthält und zu dunkel ist.
Dann finde ich ein wenig schade, dass einer der wenigen guten Ansätze der JUSTICE LEAGUE-Kinofassung nicht mehr enthalten ist: die moralischen, vor allem von Diana angestrengten Zweifel an der Wiederbelebung Supermans. Oder dass Snyder immer noch nicht ganz im Griff hat, wie stark seine Helden jeweils und im Vergleich zu anderen sind. Da fehlt es für mein Empfinden immer noch an Balance. Und, na ja, auch der finale Kampf ist mir immer noch eine Spur zu dunkelrot.

Aber für jeden größeren oder kleineren Kritikpunkt findet sich etwas, das ihn ausgleicht oder mich davon ablenkt. So mag ich zum Beispiel, wie viel Wert ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE auf Trauer und Melancholie legt. Also auf die Abwesenheit von Superman. Und dass sein Tod die M-Boxen aktiviert und somit alles in Gang setzt. Das macht ihn für mich zu einer der präsentesten Figuren, obwohl er aktiv am wenigsten zu sehen ist. Sein Verlust, sein Charakter, sein Geist, sein Ideal schwebt die ganze Zeit über allem. Dadurch wird seine Abwesenheit so notwenig, greifbar und kraftvoll wie seine Anwesenheit.
Und weil Lois und Martha noch häufiger trauernd zu sehen waren, konnte ich bei ihrer Wiedervereinigung viel mehr Gefühl nachempfinden als zuvor. Unterstützt durch die Dialoge im Snyder Cut, die dabei viel passender sind. Und den nicht zu unterschätzenden Faktor, dass Henry Cavill ausschließlich mit der eigenen Oberlippe reden darf.

Ich mag auch die Wechselwirkung bei Wonder Woman. Unter Joss Whedon fühlt sie sich für mich mehr nach Anführerin an. Die, die den Jungs die Richtung zeigen und auch mal die unbequemen Ansagen machen muss.
Doch so sehr ich der Kinofassung diesen Eindruck zugestehen kann, so sehr arbeitet sie gegen die Figur, die wir in den zwei Filmen davor gesehen hatten. Ihre Kampferfahrung und ihr Wissen bleiben eher verbogen und ordnen sich nach und nach Batman unter, mit dem sie dann auch noch halbgar flirten muss. Dazu sagt sie in der alten Fassung von sich selbst, dass sie zu emotional für den Chefposten sei, während sie generell viel bissiger, angestrengter und genervter auftritt.
Und als wäre das alles nicht schon undankbar genug, wird sie wirklich auffallend sexualisiert. Sei es durch diese „Unterm Rock“-Perspektiven, die so genannten Butt Shots oder weil ein Flash der Länge nach auf sie stolpern darf. Aus der sympathisch-abgeklärten Amazone wird immer wieder eine nörgelnde Mutter, die dich auch noch antörnen soll.

Das alles wird durch ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE entfernt, umgeformt, entschärft – auch weil einiges innerhalb von vier Stunden weniger auffällt als in zwei. Aber das Ergebnis fühlt sich für mich richtiger an, als dass ihr Konflikt über die Reanimation eines Gottes nicht mehr enthalten ist. Daher mag ich ebenfalls, dass sich dieses Gefühl der Richtigkeit in so vielen anderen Bereichen wiederfindet oder fortsetzt. Eben, weil so viele Elemente oder Szenen jetzt neu sind, anders ausgespielt werden oder deutlich mehr Kontext erhalten.
Das wirkt sich gerade auf Cyborg und Flash aus, weil der eine nun deutlich weniger Witzfigur ist und der andere überhaupt mal erklärt wird. Mit dem Nebeneffekt, dass die Nebenhandlungen um ihre Väter auch ein wenig mehr ans Herz gehen können – wenn man es denn zulässt. Und durch die konsequente Gestaltung wirkt vieles, das früher richtig albern war, nun nicht mehr ganz so schlimm. Allen voran Steppenwolf, der zum überraschend auffälligen Profiteur der neuen Fassung wird. Sei es, weil er nun deutlich mehr Hintergrundgeschichte oder Motivation bekommt – was immer noch nicht allzu viel ist. Oder sei es, weil seine stachelige, sich ständige bewegende Rüstung dann doch besser zur Figur und zum Film passt.

Was mir im Zuge dessen dann aber noch mehr gefällt, ist die neue oder eben alte Härte, mit der Snyder seine Übermensch-Oper ausstattet – und wegen der sie sich noch mehr von seinen bisherigen DC-Filmen absetzt. So war ich erst mal ein wenig überrascht, wie mächtig und wuchtig Wonder Womans erster Einsatz rüberkommt, wenn ihre Bewegungen dann auch mal beschleunigt und nicht nur langsam zu sehen sind. Oder wenn sie Gegner an Wände und auf Fußböden knallt.
Doch dann ich war regelrecht erstaunt, wie hart und blutig ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE mitunter noch wird. Köpfe, Hände, Körperhälften: Snyder tranchiert und malt Schlachtgemälde, als ginge es hier um 300 Spartiaten und nicht um die Gerechtigkeitsliga. Ein Eindruck, der dann auch von seiner erklärten Vorliebe für menschliche (Körper-)Formen untermauert wird. Also von den gestählten, glänzenden, immer wieder schwärmerisch in Szene gesetzten Oberkörpern von Henry Cavill, Jason Momoa, Constance, Steppenwolf, Darkseid oder den beiden Hammer-Amazonen, die den Mutterbox-Tempel kaputt donnern.

Aber diese Faszination für die (über-)menschliche Anatomie gehört halt zum Gesamtkonzept Snyder. Schon immer. Genau wie sein Aufwand, um die Zeit einzufrieren, Bauwerke zu zertrümmern, Autos, Züge und Hot Dogs durch die Luft zu wirbeln oder Figuren kilometerweit zu boxen. Also, um Superkräfte abzubilden. Der Snyder Cut hebt beides (aufgrund seiner Länge und Freiheiten) noch mal stärker hervor, führt es noch mal deutlicher vor Augen.
Je mehr ich mich jetzt mit ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE beschäftigt habe, umso mehr respektiere und akzeptiere ich beides als Spielart wie auch als emotionale Ausdrucksform des Manns. Umso mehr verstehe ich, warum ihm beides so wichtig ist. Und umso mehr beschämt es mich, nachdem ich 300 gefühlt 300-mal gesehen habe, dass es erst den Snyder Cut brauchte, damit ich es richtig einordne. Denn Snyder war schon immer etwas mehr an den Kräften seiner Heldinnen und Helden als an ihnen selbst interessiert.
Doch wo sich seine bisherigen DC-Filme noch etwas mehr um Ausgleich bemühten, ist JUSTICE LEAGUE parteiischer. Geschichte, Konflikte, Dramen: Das alles gibt es noch, doch es ist mehr denn je Mittel und Zweck für das Zusammenspiel von Muskeln und Macht.

Keine Ahnung, ob es sich psychologisch oder filmwissenschaftlich wirklich so leicht ableiten lässt, aber für mich hat dieser Powerkörper-Kult etwas aufrichtig Persönliches. Weil Zack Snyder ihm so viel Platz einräumt und ihn so exzessiv auslebt, wirkt er wie eine Sehnsucht. Eine Sehnsucht nach allem, was Snyder fehlte, als er den Suizid seiner Tochter verarbeiten und seinen Film beenden musste: Kraft, ein Symbol oder Zeichen der Hoffnung und jemand, der seine zerbrochene Welt wieder in Ordnung bringt.
Deswegen sehen wir so viele Figuren, die hoffnungsvoll von unten nach oben schauen. Oder erhaben von oben nach unten. Deswegen sind alle in der Justice League vom Verlust eines geliebten Menschen gezeichnet. Deswegen versuchen einzelne Mitglieder mitunter sogar, die Zeit zurückzudrehen. Deswegen ist Supermans Abwesenheit so präsent. Daher ist Batman nicht viel mehr als ein Dirigent, ja, ein Regisseur für apokalyptische Bombast-Spektakel, der stets etwas im Abseits stehen muss. Und deswegen fühlt sich ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE dann auch wie das an, was der Film schon in seinen ersten Bildern zeigt: wie ein fast vier Stunden langer Schmerzensschrei in 4:3 (oder eben 1,33:1).

Trotzdem findet Snyder in all dem Schmerz immer wieder Platz für Fan-Service. Trotzdem nimmt er sich in all der Trauer immer wieder die Zeit, um noch der kleine Junge zu bleiben, der so fasziniert von Comics war. Angefangen bei der Anti-Leben-Gleichung, dieser ultimativen Bedrohung, die auf Jack Kirbys VIERTE WELT-Comicreihe aus den 1970er-Jahren zurückgeht, und wahrlich beendet mit dem Symbol von Ra’s al Ghul auf dem Schwert von Deathstroke in einer der letzten Szenen des Films.
Plus so viel mehr dazwischen. Zum Beispiel Marc McClure, der Jimmy Olsen aus Richard Donners SUPERMAN-Filmen, der kurz zu sehen ist. Oder die von Wayne Enterprises gesponserte Anzeigentafel bei Cyborgs Football-Spiel. Dass Commissioner Gordon mit Crispus Allen spricht, der mal zum Wirtskörper für einen meiner DC-Lieblinge Spectre wird. Dass ein Name auf der Superman-Gedenktafel Ben Parker lautet. Das Gründungsjahr von Arkham Asylum, das identisch ist mit dem Erscheinungsjahr des Comics, in dem die Anstalt zum ersten Mal vorkam. Der „War Machine Bat Tank“ aus THE DARK KNIGHT RETURNS, auf dem Batman zum Schluss steht und vor dem gefesselte Mitglieder der Mutanten-Gang kauern.
Dass Snyder auf all das Wert legt, ist noch etwas, dass ich ihm hoch anrechne. Noch etwas, dass mich erfreut. Wenn auch mehr im Namen und Geiste der Hardcore-DC-Fans.

So entsteht ein wahrlich breiter Mahlstrom, der von allem schlichtweg zu viel hat. Egal, ob Hingabe, Pathos, Posen, Aufrichtigkeit, Abstrusität, Schwere, Superkräfte, Zeitlupen, Zeit oder Willenskraft. Aber es ist, wie es ist: ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE hat mich mitgerissen. Irgendwo, irgendwann zwischen dem zweiten und fünften Kapitel. Als ich begriffen hatte, dass sich Snyder sein ungelenkes Epos hart erarbeiten will. Als ich merkte, wie ernst er seine eskapistische Endschlacht nimmt. Als der Film seine ganz eigene Anmut entwickeln konnte, ohne jemals wirklich elegant, tief oder feinsinnig zu sein.
Seine Einteilung empfand ich übrigens als recht hilfreich. Sie kann das Pausieren erleichtern wie auch eine Art Binge-Gefühl erzeugen. Sie macht das überladene Werk übersichtlicher. Oder eben noch mal deutlich, wie viel doch gefehlt hat. Sie bietet den notwendig langen Anlauf, damit ihr „Gears of ManoWar“-Showdown seine entsprechende Wucht entfalten kann. Und nachdem Snyder dann auch noch dafür gesorgt hat, dass jeder Held sein episches Desktop-Motiv erhält, war ich so erschlagen wie überzeugt, die richtige Version gesehen zu haben.

Dennoch bin ich nach wie vor zwiegespalten, was diese weitere „Knightmare“-Sequenz angeht. Für mich ist sie inzwischen vor allem ein weiterer Triumph des Willens. Eine weitere Chance, die sich Snyder geboten und die er fest ergriffen hat. Um einen Blick auf das zu werfen, was hätte sein können. Und um seinen Fans ein letztes Abschiedsgeschenk zu geben. Vielleicht ist sie auch ein Mittelfinger an das Studio, das seine Vision erst nicht zulassen wollte und vermutlich auch nicht vollenden wird.
Die Frage, die sich mir aufdrängt, lautet trotzdem: wofür? Das war’s jetzt doch? Oder nicht? Ist die „Endseid“ mehr als die letzte Gelegenheit, um noch ein wenig Hunger zu schüren, der wohl nie gestillt wird? War sie notwendig, weil ja schon auf das „Flashpoint“-Multiversum angespielt wurde? Oder gibt es sie nur, damit sich Jared Leto noch mal als Joker rehabilitieren kann? Hat er meiner Ansicht nach nicht so sehr geschafft. Konnte er auch gar nicht. Obwohl die Apokalypse nett aussieht, das Comic-Kopfkino ankurbelt und so lang geht, dass man sich schon wie im nächsten Film und nicht mehr wie im Epilog fühlt, fehlt ihm die Zeit, um gegen die Denkwürdigkeit von Nicholson, Ledger oder Phoenix anzukommen. Und dafür hätte Snyder auch seine Spielereien mit der Schärfe reduzieren müssen, die jetzt wie eine Art Trainingseinheit für ARMY OF THE DEAD rüberkommen.

Am Ende kann es dann nur noch eines geben: Halleluja. Natürlich. Für Autumn. Es war ihr Lieblings-Song. Fühl ich. Aber auch für alle, die so fest an diesen Film geglaubt und so eisern für ihn gekämpft haben. Und für all jene, für die Familie nicht gleich Schwäche bedeutet. Ein Vergleich, der in ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE fällt, als Steppenwolf einen Wissenschaftler der Erde foltert. Noch so ein Schlüsselmoment für mich, in dem Snyder aus tiefstem Herzen spricht.
Ein anderer ist die finale Wiederauferstehung Christis, Pardon Clarks. Wenn er durch sein Schiff geht, seine Väter zu ihm sprechen, Zimmers Musik erklingt, wenn er im schwarzen Anzug wieder rauskommt und sich in der Sonne auflädt: Das ist die Epik, die sich der Snyder Cut bis dahin redlich verdient hat. Und die dann auch mich zum kleinen Jungen werden lässt. Etwas, dass ich niemals erwartet hatte. Genauso wenig wie die Aufrichtigkeit, die hier drinsteckt. Die so brachial aus dem Ruder läuft und mir doch Respekt abverlangt.

Mir ist bewusst, dass der Text hier schon fast Snyder-esque Ausmaße angenommen hat. Vielleicht waren es zu viele Worte für zu wenig Film. Vielleicht können Teile davon auch so leicht zerlegt werden wie die Neuauflage an sich. Aber vielleicht sind sie auch für die eine oder den anderen hilfreich, um das zu genießen, was der Snyder Cut abseits von all seinen positiven wie negativen Aspekten ist: der seltene Fall, einen Film dieser Preisklasse in zwei Versionen zu erleben. Sehen, fühlen, verstehen, was der Schnitt, die Farben, der Spielraum, die Tonalität, die Absicht, der Aufwand und eben ein Regisseur an einem Werk ausmachen können.
Es gibt nicht viele solcher Gelegenheiten. Eine der bisher bekanntesten – neben vielleicht BLADE RUNNER und BRAZIL – ist ausgerechnet wie ironischerweise SUPERMAN II – ALLEIN GEGEN ALLE von Richard Donner. Nur musste der satte 28 Jahre warten, um aus der Version von Richard Lester endlich seine eigene machen zu können. ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE hat gezeigt, dass es inzwischen schneller möglich ist. Trotzdem sollte man dieser Entwicklung und Einflussnahme auch kritisch begegnen. Gerade, wenn es zu Beleidigungen oder Gewaltandrohungen kommt. Aber auch, um richtig abzuwägen, wann und bei wem eine solche „Mehrheits-Korrektur“ sinnig und notwendig ist.

Für mich war der Snyder Cut nicht notwendig, aber ich freue mich wirklich, dass es ihn nun gibt. Zum einem, weil er so viele Menschen glücklich gemacht hat. Zum anderen, weil er sich für mich nach dem Film anfühlt, der er immer sein sollte – egal, wie schief, schwer und schwülstig er doch sein kann. Aber auch, weil ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE so eine kuriose Existenz ist, die eine vielleicht größere, vielleicht kleinere Geschichte schreiben wird. Doch vor allem beseelt mich, dass Snyder seine Vision vollenden und (künstlerischen) Frieden finden konnte. Dass er in der Lage war, immerhin dieses Kind zu retten. Selbst wenn es ein aufgedonnertes, zügelloses und schwermütiges Superkraft-Spektakel ist.

Daniel Schröckert

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Antje Wessels Urteil über ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE

„Für Zack-Snyder-Fans, für Verehrer:innen einer göttlich-epochal-unsubtilen Interpretation des DC-Pantheons und für Filmbegeisterte, die Freude am Produktionsprozess und dem Vergleich unterschiedlicher Schnittfassungen haben, ist ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE zweifelsohne einen Blick wert“, formuliert Antje Wessels es ziemlich diplomatisch. Was sie sonst vom gehypten SNYDER’S CUT denkt, meint und sagt, könnt ihr euch in aller Ausführlichkeit in ihrem Frische Filme Podcast anhören.

Filminfo

ZACK SNYDER’S JUSTICE LEAGUE
OT: Zack Snyder’s Justice League
G: Action, Abenteuer, Fantasy
D: Henry Cavill, Ben Affleck, Gal Gadot, Amy Adams, Jason Momoa, Ezra Miller, Ray Fisher
R: Zack Snyder
DVD-/Blu-ray-Release: 27.5.2021
Streambar: Sky Ticket, Sky Go; div. VoD-Anbieter

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